Das ist unser Land! - Chez nous

Lucas Belvaux deckt am Beispiel einer Krankenschwester, die in einer nordfranzösischen Kleinstadt für die fiktive "Nationale Volksbewegung" kandidiert, pointiert die Methoden rechtspopulistischer Parteien in Europa auf. Zu kurz kommen angesichts des aufklärerisch-belehrenden Gestus allerdings etwas die filmische Erzählung und die Figurenzeichnung.

Mit einem langen Schwenk über ein Feld in der nordfranzösischen Provinz, Ansichten der Autobahn, einer properen Vorstadtsiedlung und einer tristen Straße mit Backsteinhäusern beginnt Lucas Belvauxs Spielfilm. Im Raum verankert wird damit die Handlung, bald werden wirtschaftliche Misere mit geschlossenen Minen und Arbeitslosigkeit kurz angesprochen und eine alte Fliegerbombe, die ein Bauer auf seinem Acker findet, weist schon auf unter der Oberfläche schlummernde Gefahren voraus.

Nah folgt Belvaux im Folgenden der Krankenschwester Pauline (Émilie Dequenne) auf ihrem Weg zu Hausbesuchen, stellt sie als in ihrer Gemeinde fest verankerte und beliebte Bürgerin vor, die es schafft sich neben Beruf und alleinerziehender Mutter von zwei Kindern auch noch um ihren Vater zu kümmern.

Als sie der Arzt Doktor Berthier (André Dussollier) als Kandidatin für die rechtspopulistische "Nationale Volksbewegung" anwerben will, zögert Pauline zunächst, lässt sich dann aber doch als Kandidatin aufstellen. Im Grunde soll sie freilich nur aufgrund ihrer lokalen Bekanntheit und Beliebtheit eine Marionette sein.

Das Wahlprogramm will man ihr gar nicht zeigen, sie soll nur als hübsche Frau mit ihrer Präsenz auf Plakaten und bei Auftritten für Stimmen sorgen, während im Hintergrund die nationale Spitzenkandidatin (Catherine Jacob), die deutlich an die Front National-Chefin Marine Le Pen angelehnt ist, und deren Berater die Fäden ziehen.

Prägnant arbeitet Belvaux heraus, wie die Partei Pauline vereinnahmt, sie für ihre Zwecke einspannt und sich auch in ihr Privatleben einmischt. Denn nicht toleriert wird, dass sie wieder eine Beziehung mit ihrem Jugendfreund Stanko (Guillaume Gouix) beginnt. Dieser gehörte zwar einst zur Sicherheitstruppe der Partei, doch inzwischen distanziert man sich – zumindest offiziell - wie in der Realität der französische Front National von offenem Rechtsradikalismus und damit auch von Stankos Schlägertruppe, die Jagd auf Roma und Migranten macht und tritt nach außen hin als moderat auf. Ein schlechtes Licht könnte diese Beziehung somit auf die neue Kandidatin werfen und von den gegnerischen Parteien ausgeschlachtet werden.

Doch nicht nur diese Verschränkung von Privatem und Politik zeigt der belgische Regisseur treffend, sondern auch die Sprachregelung, die zur Manipulation des Volkes angewandt wird, sowie das demagogische Agieren, wenn die Parteichefin einen Überfall auf Migranten nützt, um Pauline zur Heldin hochzustilisieren und die eigentlichen Opfer zu Tätern zu machen.

Gleichzeitig wird aber auch deutlich, wie das Leben von Pauline mit ihrem politischen Engagement sich grundsätzlich ändert, Beziehungen wie die zu ihrem Vater, der einst als Bergarbeiter Kommunist war, und einer muslimischen Familie in die Brüche zu gehen drohen. Nicht ausgespart wird auch die Radikalisierung der Kinder und Jugendlichen, die rassistische und antiislamische Videos ins Internet stellen.

So anschaulich die Methoden rechtspopulistischer Parteien in Europa aber auch herausgearbeitet werden, so einfach macht es sich Belvaux dabei auch, bezieht von Anfang an klar Position und lässt Zwischentöne und Ambivalenzen vermissen. Statt eine dramatische filmische Erzählung zu entwickeln und aus facettenreichen Charakteren heraus die Geschichte packend zu entwickeln, neigt er in seiner aufklärerisch-informierenden Stoßrichtung dazu eine Agenda abzuarbeiten.

Mehr Behauptung bleiben so viele Szenen statt wirklich fühlbar zu werden, zu viel wird mit der Radikalisierung der Kinder und den rechtsextremen Schlägertrupps angeschnitten, und zu sehr Trägerfigur für die Botschaft bleibt auch Pauline trotz des überzeugenden Spiels von Émilie Dequenne, die einst mit der Hauptrolle im Dardenne-Film "Rosetta" bekannt wurde.

Noch mehr auf Typen reduziert, die eine Funktion erfüllen müssen, bleiben die Nebenfiguren von Stanko, der für die von den Rechtspopulisten heimlich durchaus akzeptierten Neonazis steht, über Paulines Vater bis zu ihren unterschiedliche Positionen beziehende Freundinnen. Die einzige schillernde Figur ist André Dussolliers Doktor Berthier, der sich nach außen freundlich und kultiviert gibt, zunehmend aber durchblicken lässt, dass er auch vor Einschüchterung und Gewalt nicht zurückschreckt.

Nicht ganz aufgegangen ist somit Belvauxs Versuch eines Spagats zwischen politischem Kino auf der einen Seite und einem Film für ein breites Publikum auf der anderen. Denn politisch bleibt das insgesamt zu oberflächlich und plakativ, als packende Kinounterhaltung aber auf der anderen Seite wieder etwas zu farb- und kraftlos. Ein Film der interessante Einblicke vermittelt und zur weiteren Beschäftigung mit dem Thema anregen kann, ist dem Belgier aber auf jeden Fall gelungen.

TaSKino Feldkirch im Kino Rio: 17.10., 20.30 Uhr; 18.10., 18 Uhr; 19.10., 20.30 Uhr; 20.10., 22 Uhr (franz. O.m.U.)
Leinwandlounge in der Remise Bludenz: 22.11., 19 Uhr (franz. O.m.U.)

Trailer zu "Das ist unser Land! - Chez nous"