Das Irdische Paradies

Mit dem aus acht Gemälden und Studien bestehenden Perseus-Zyklus von Edward Burne-Jones besitzt die Staatsgalerie Stuttgart seit 1971 ein Hauptwerk präraffaelitischer Malerei. Als bedeutendste deutsche Sammelstätte der Werke Burne-Jones" – neben dem Perseus-Zyklus bewahrt sie in der Graphischen Sammlung neun Zeichnungen des Meisters – zeigt sie daher ab 24. Oktober 2009, ausgehend von ihren Beständen, die erste monographische Ausstellung zu Edward Burne-Jones in Deutschland.

Im Fokus der Ausstellung stehen neben der Perseus-Folge Burne-Jones" große Erzählzyklen – so etwa seine großformatigen, auf die Ornamentik des Jugendstils verweisenden Arbeiten zu Dornröschen oder die Tapisserien zu König Artus und den Rittern der Tafelrunde. Mythen, Legenden und Sagen werden lebendig in den Bildern des großen viktorianischen Malers. Sie laden den Betrachter in eine stille Welt voller Schönheit und Harmonie ein, in der Schrecken und Gefahr gleichwohl unterschwellig anwesend sind. Außerdem werden – zum ersten Mal in Deutschland – weitere wichtige Bilderzählungen in der Ausstellung zu sehen sein: Der großformatige, gemeinsam mit Walter Crane vollendete Zyklus zu Amor und Psyche greift nochmals auf die Antike in der Lesart von Willam Morris zurück.

Der Titel der Ausstellung verweist auf eine der wichtigsten literarischen Quellen, aus der Burne-Jones die Inspiration für seine erzählerischen Zyklen bezog: William Morris" Erfolgsbuch "The Earthly Paradise", dessen erste Auflage 1868 erschien. Dieser Titel charakterisiert zugleich ein konzeptuelles Hauptanliegen des Malers, denn sein gesamtes Werk kann als idealistischer Gegenentwurf zum prosaischen, von den Auswirkungen der industriellen Revolution geprägten Alltag der spätviktorianischen Zeit verstanden werden. Die Verbindung klassischer Stoffe mit mittelalterlichen Erzählformen kommt der persönlichen Vorstellung Burne-Jones" von einer idealen Zeit, eben einem Irdischen Paradies, sehr nahe. So verbindet auch er in seiner Kunst Inspirationen aus Früh- und Hochrenaissance mit Versatzstücken eines imaginierten Mittelalters. Die faszinierende Welt der Antike mit ihrer teilweise drastischen Erotik, Tragik und Brutalität wird durch das milde Licht einer weihevollen, von christlichen Idealen geprägten Zeit betrachtet. In seinen malerischen Zyklen zeigt der ehemalige Oxforder Theologie-Student Burne-Jones Menschen stets auf einer Art Pilgerreise, deren einzelne Etappen jedoch schon die Sublimierung erahnen lassen, die das Ende des Weges verspricht.

Neue, großzügige Ausstellungsflächen im Erdgeschoss der Alten Staatsgalerie geben die Gelegenheit, Burne-Jones als Gestalter von Räumen vorzustellen. Dadurch kann gezeigt werden, dass für Burne-Jones die spezifische Atmosphäre, die er durch seine zum Teil monumentalen Tapisserien und Malereien erzeugt, als künstlerisches Ziel ebenso bedeutsam ist wie der Inhalt der jeweiligen Bilderzählung. In diesem Sinn soll der Besucher die Gelegenheit erhalten, sich mit einer Abfolge unterschiedlicher Raumerlebnisse zu konfrontieren. Bestandteile dieser Räume sind auch ausgewählte Möbelstücke, Arts-and-Crafts-Objekte sowie Glasmalereien, Buchillustrationen und plastische Arbeiten. Die Idee vom kunstgeprägten Lebens-Raum, die in Stuttgart ihre logische Fortsetzung im Werk Oskar Schlemmers und in den Raumvisionen der Weissenhof-Siedlung findet, wird so als zukunftsweisendes Element in der Kunst Burne-Jones" in den Vordergrund gerückt.


Edward Burne-Jones - Das Irdische Paradies
24. Oktober 2009 bis 7. Februar 2010