Das Geschenk Allahs

Den Putschversuch oder, vielleicht treffender gesagt, den Pseudoputsch, habe ich vergangene Woche wohl etwas falsch interpretiert. Grund war einerseits, nicht eilig etwaigen Verschwörungstheorien anzuhängen und ungeprüft gleich von einer Inszenierung zu reden, andererseits spielte, vielleicht einem unbewusstem Wunschdenken folgend, die Hoffnung oder Erwartung eine Rolle, dass es auch unter dem bisherigen Regime der AKP noch Widerstand gab, der sich, wenn auch dilettantisch, in einem Putsch äußerte.

Die Ereignisse, die sich dann in einem rasenden Tempo entrollten bewiesen jedoch eine lange, minutiöse Planung der Verfolgung, der Hatz, der Säuberung, der Rache, wie wir sie seit dem 2. WK, zumindest in Europa, nicht mehr hatten. Der eitle Pascha ist nicht nur eitel, er ist ein monströser Diktator, der die Schwäche seiner Partner geschäftstüchtig nutzt und offen eine faschistische Diktatur installiert, dabei konsequenterweise auch die Menschenrechte aussetzt, und dafür, wie er erwartet bzw. vertraglich vereinbart hat, von der EU Zustimmung und Unterstützung erhält. Die EU belohnt seinen "Umbau" mit Visa-Erleichterungen für seine Bürger, ordnet seinem Land, in welchem Unrecht herrscht, den Status "sicheres Drittland" zu, relativiert die Umstände als "Ausnahmelage", als "innere Angelegenheit" eines Partners, der sich der Terroristen erwehren muss, und freut sich auf weitere gute Zusammenarbeit in der NATO, obwohl jetzt schon deutsche Parlamentarier nicht einreisen dürfen um Bundeswehrangehörige zu besuchen, die dort NATO-Bündnisdienste erfüllen.

Aber die Deutschen kuschen, wie üblich und, ebenfalls, wie vertraglich vereinbart. Der Wille des Großen Bruders geht vor; die andern tapferen NATO-Genossen stehen Gewehr bei Fuß oder genderkorrekt bei Raketen, um das Abendland zu schützen, wofür es den Pakt mit dem Menschenrechtsverletzer und Säuberer braucht. In dieser Logik würde heute die EU mit einem Hitler oder Stalin "kooperieren", wenn sie es ihren Untergebenen nur glaubhaft verhökern könnte!

Die historische Schuld, welche Europa sich damit auflädt, ist gegenwärtig nicht abschätz- oder messbar. Begonnen hat die fatal falsche Politik mit der Behauptung, die Union bedürfe unbedingt (!) der Türkei, um ihr Flüchtlingsproblem zu lösen. Eine freche Lüge. Ein Kontinent, der zur Lösung eines Problems ein außereuropäisches Land braucht, ist bankrott, heruntergekommen, abgewirtschaftet. Und in der Tat, mit jedem Tag wird es schwieriger, die politische Lebenslüge glaubhaft zu propagieren, mit jeder Stunde wird die unselige Büttelrolle eines zerbröselnden Systems deutlicher und eindrücklicher.

Einer der Hauptgründe oder Kerne der Malaise liegt in der Nichtemanzipation Europas von den USA, in seiner Unfähigkeit, einen europäischen, außenpolitischen Willen zu äußern und die entsprechenden Mittel seiner Durchsetzung aufzubringen sowie die unverbrüchliche Bereitschaft, die eigenen Grundwerte, wie sie nicht zuletzt in der Europäischen Menschenrechtskonvention festgehalten sind, zu beachten bzw. deren Beachtung als wesentlich für jeden Partnervertrag zu verlangen. Entsprechend diesen Werten müssten die Europäer die NATO sprengen und verlassen, hätten nie eine Pakt mit dem islamofaschistischen Erdogan unterzeichnet, hätten, im Gegenteil, die Türkei unter Druck gesetzt. Sie hätte auch den undemokratischen Entwicklungen in der Union, wie sie in Polen, Tschechien, der Slowakei und in Ungarn, sich breit machen, unter Androhung auf Ausschluss Einhalt geboten, wie überhaupt eine Verbotskampagne gegen neofaschistische Parteien geführt. So aber gedeiht der braune Sumpf in Frankreich, Italien oder Spanien, in Österreich oder Deutschland oder den Niederlanden und Skandinavien. Europa hat wahrlich verloren und zeigt sein wahres Gesicht des bös-blöden Spießers.