Concrete & Samples

Die Ausstellung "Aglaia Konrad, Armin Linke - Concrete & Samples" im Museum für Gegenwartskunst Siegen zeigt in einer Gegenüberstellung zwei Einzelpräsentationen zeitgenössischer Konzeptfotografie. Mit ca. 110 Arbeiten auf 1200 qm Ausstellungsfläche gibt die Schau einen umfassenden Einblick in das Schaffen zweier Künstler, die viel gemeinsam haben: Beide sind unermüdliche Reisende, beide dokumentieren die massiven landschaftlichen und städtebaulichen Veränderungen der Gegenwart und beide beziehen sich künstlerisch auf enzyklopädische und typologische Modelle.

Aglaia Konrads und Armin Linkes fotografische Arbeiten erforschen weltweit Spuren und Auswirkungen der Globalisierung. Beispielsweise dokumentiert Aglaia Konrad aus ganz individueller Perspektive großstädtische Verkehrsarchitektur und schnell gewachsene Siedlungskomplexe (Shaping Stones, Desert Cities). Dabei fotografiert sie aus den Verkehrsmitteln, die sie benutzt, dem Flugzeug, dem Linienbus, dem Taxi. Armin Linke hingegen interessiert sich für Architekturen und Landschaften im Grenzbereich von Fiktion und Realität (Mountain with Antennas, Kitakyushu Japan, 2006, Projekt Alpen). Gezielt recherchiert und plant er die Aufnahmestandorte, um diese besondere, oft irreale Wirkung seiner Fotos zu erzielen.

Die strenge, versachlichende Präsentation der Fotografien, Filme, Videoarbeiten, Diainstallationen und Künstlerbücher Aglaia Konrads verstärkt auf beängstigende Weise den Eindruck des Anonymen und Immergleichen. Zeichen von Leben enthalten ihre Bilder selten. Fotokopien und Siebdrucke sind vergrößert und in Ausschnitten wiederholt, was diesen Effekt zusätzlich betont. Ähnlich fangen die farbigen Fotografien und Filme Armin Linkes den Verlust von Authentizität ein. Sie zeigen die globale Vereinheitlichung und Verödung von Landschaften, Städten oder Architekturen. Einzelne Arbeiten stellen skurrile und absurde Situationen vor Augen.

Ein weiteres gemeinsames Kennzeichen beider Künstler ist die bewusste Hinwendung zum Betrachtenden. Durch eigene Verfahren der Ausstellungspräsentation binden sie diese unmittelbar ein: Aglaia Konrad schafft multidimensionale Diaprojektionen, die der Ausstellungsbesucher durchwandern kann. Oder sie vergrößert und tapeziert Motive raumbezogen direkt auf Wände, Decken, Fenster. Armin Linkes setzt auf das Konzept des sichtbaren und benutzbaren Künstlerarchivs. Die Stilisierung einer einzelnen fotografischen Arbeit zum "einmaligen" Kunstwerk wird relativiert, ihre Größe und Kombinationsmöglichkeiten bleiben für die Veröffentlichung in Ausstellungen oder Buchprojekten austauschbar.

Als Anspielung auf ihre künstlerischen Verfahren im Umgang mit der Fotografie als Material haben sowohl Aglaia Konrad als auch Armin Linke ihre Siegener Ausstellung "Concrete & Samples" genannt. Beide Künstler überführen das dokumentarische fotografische Material (concrete) in ihre Archive, um sie zu Ausstellungszwecken, für Künstlerbücher oder als benutzbares Internetarchiv in neuen Formaten, Zusammenstellungen und Verweissystemen (Samples) zu aktivieren.

Im Museum für Gegenwartskunst zeigt die documenta X-Teilnehmerin Aglaia Konrad neue Projekte und neue Präsentationsweisen. Unter den insgesamt ca. 50 Arbeiten der Ausstellung befinden sich neun Arbeiten der Serie "Shaping Stones", 16 Fototableaus der Serie "Desert Cities", drei neue raumbezogene Arbeiten (u.a. eine neue Diaprojektion von Siegerländer Fachwerkhäusern, entstanden in Auseinandersetzung mit Bernd und Hilla Bechers in Siegen beheimateten Fotogruppe "Fachwerkhäuser des Siegener Industriegebietes", 1959-78), zwei Filme (ein Film zu den "Sculpture Houses" von Felix Roulin und Jaques Gillet, ein Film über die Wiener Kirche zur Heiligsten Dreifaltigkeit von Fritz Wotruba) sowie alle 26 Buchprojekte der Künstlerin.

Armin Linke, der 2003 und 2006 an Biennale-Ausstellungen in Venedig teilnahm, wird in Siegen mit ca. 60 Fotografien seines Archivs im Mittel- und Großformat einen Querschnitt durch sein Schaffen vorstellen. Daneben werden die beiden großen, seit mehreren Jahren andauernden und in immer neuen Arbeitszuständen ausgestellten Projekte "Alpen" (zusammen mit Renato Rinaldi und Piero Zanini; in Siegen in einer bisher noch nicht gezeigten Form als interaktive Videoprojektion zu sehen) und die ebenfalls interaktive Benutzerinstallation "Phenotypes / Limited Forms" (mit Peter Hanappe u.a) ausgestellt.


Concrete & Samples
28. Mai bis 20. September 2009