Eine der ersten Maßnahmen der Revolutionsregierung Kubas war die Gründung eines nationalen Filminstituts (I.C.A.I.C.) und die tonangebenden Leute, die diese Medieninsel einer eigenständigen Kultur aufgebaut und mit ihren Werken bereichert haben, waren Künstler und keine Geschäftsleute. Sie stellten das bei Italiens Neoveristen erlernte Handwerk in den Dienst der eigenen Bevölkerung, die seit 50 Jahren die Geschichte des Landes grundlegend verändert und obendrein in Afrika Weltgeschichte mitgeschrieben hat.
Die Künstler des ICAIC haben in dieser Zeit trotz eines quantitativ bescheidenen Jahresoutputs deutliche Spuren im Weltkino hinterlassen. Ihre Produkte zählten in den 1960er- und 70er-Jahren wegen ihres innovativen und experimentierfreudigen Charakters mit zu den beliebtesten Gästen auf allen Filmfestivals. Nun feiert das ICAIC im Gleichschritt mit der Revolution vom 1. Jänner 1959 seinen 50. Geburtstag. Aus diesem Anlass widmet das Filmarchiv Austria dem kubanischen Kino eine repräsentative Filmschau im Metro-Kino in Kooperation mit der Botschaft der Republik Kuba und dem ICAIC unter dem Motto "Cine Cubano – 50 Jahre ICAIC". Das Konzept der Filmauswahl legt den Schwerpunkt auf die Darstellung von Kubas Geschichte der letzten 200 Jahre von der Epoche der Sklaverei bis zur Gegenwart. 36 Spielfilme, vier Dokumentationen und 4 Kurzfilme sollen Menschenschicksale vor dem Hintergrund historischer Ereignisse, Perioden und Zäsuren nachzeichnen und so den Verlauf von Kubas Geschichte in lose chronologischer Abfolge illustrieren.
Da man die Geschichte und Bedeutung Kubas jedoch nicht isoliert vom lateinamerikanischen Subkontinent betrachten sollte, wird die Schau durch Filme zum Thema "Kino und Revolution in Lateinamerika: Mythen, Fakten und Idole" ergänzt. Diese Filme sind keine kubanischen Produktionen, dokumentieren aber die enge Verflochtenheit der Geschicke dieser Völker mit jenem Kubas. Darunter finden sich neben einigen Spielfilmklassikern eine Reihe hoch interessanter Dokumentationen über Ikonen der Revolutionsgeschichte und ein in Österreich weder im Kino noch im Fernsehen gezeigter Dreistunden-Director’s Cut des Senders ARTE mit dem Titel "Kuba, eine afrikanische Odyssee" über die historische Entwicklung von Kubas Engagement in Afrika, das schließlich die Freilassung Nelson Mandelas und seiner Mitkämpfer und den Abzug der südafrikanischen Armee aus Namibia erzwang, was in weiterer Konsequenz zum Zusammenbruch des rassistischen Apartheid-Regimes führte. In diesem Film kommen viele Repräsentanten aller an den Konflikten in Afrika beteiligten Parteien im Originalton zu Wort und legen offen ihre Interessen und ihre Sicht der Dinge dar.
Die Eröffnung der Schau erfolgt mit einem legendären Werk des Meisterregisseurs Tomás Gutiérrez Alea, der etwas anderen Osterpassionslegende "La Última Cena / Das letzte Abendmahl", deren programmatische Bedeutung für das kubanische Filmschaffen im Essay des Filmarchiv-Programmheftes Nr 63, "Die Magie des Zuckers", ausführlich dargelegt wird. Einen weiteren Essay zum komplementären Thema steuert Kurt Hofmann bei, in dessen Mittelpunkt Betrachtungen zum Phänomen Che Guevara und dessen aktueller Bedeutung stehen. Helmut Pflügl
Cine Cubano
27. August bis 21. Oktober 2009