Schon in ihren frühesten Arbeiten vor mehr als dreißig Jahren bedient sich Cindy Sherman fast ausschließlich ihrer eigenen Person als Modell und Gegenstand ihrer Inszenierungen. In ihren Serien stellt sie mit Hilfe unterschiedlicher Accessoires (Schminke, Kostüme, Prothesen) erfundene Personen dar und fotografiert sie im Studio. Auf diese Weise schafft sie eines der bedeutendsten Werke unserer Zeit, das ausschließlich die Fotografie als Träger benützt.
Abwechselnd parodistisch, bissig, manchmal brutal, inszenieren diese Arbeiten eine Galerie von Figuren in Anlehnung an kulturelle und soziale Stereotype, um sie und die unterschiedlichen Möglichkeiten ihrer Darstellung zu hinterfragen: Mittelseiten in Illustrierten, Werbung, Kino, klassische Malerei, etc. Im Hintergrund wird eine subtile Analyse der individuellen Identität, insbesondere der weiblichen, spürbar, sowie der Fantasien, die sie auslöst und der Kräfte, denen sie ausgesetzt ist. Dieses Eintauchen in ungewisse und konfliktbeladene Bereiche, wo die Identität des Individuums mit dem kollektiven Unbewussten, mit Stereotypen und symbolischer Macht ringt, erfolgt zuweilen spielerisch, dann wieder düster, wenn sie Schrecken oder Ekel, verstümmelte oder entstellte Körper darstellt. Cindy Sherman ist 1954 in Glen Ridge, einem Vorort von New York (New Jersey) geboren. Sie studierte zunächst Malerei, dann Fotografie in Buffalo. Damals lernte sie einen Menschen kennen, der entscheidenden Einfluss auf ihr Leben haben sollte, den Künstler Robert Longo. Mit Longo und Charles Clough, einem befreundeten Künstler, schuf Cindy Sherman einen Raum für unabhängige Künstler, Hallwalls genannt, wo sie mit anderen jungen Künstlern ausstellte. Nach dem Studienabschluss 1976 beschloss sie, sich in New York niederzulassen, wo sie 1977 begann, sich selbst zu fotografieren. Die Verwendung ihres eigenen Bildes in ihren Fotografien wurde damals ein Grundprinzip ihrer Arbeit. Cindy Sherman lebt und arbeitet in New York. Die im Kunsthaus Bregenz gezeigte Retrospektive mit Arbeiten aus den Jahren 1975 bis 2005 erlaubt einen Blick auf die Entwicklung ihrer Arbeit, ihre üppige Erfindungsgabe, die unterschiedlichen Kraftlinien, die sie strukturieren und die komplexen Fragestellungen, die sie aufwirft. Diese Ausstellung wurde in Zusammenarbeit mit dem "Jeu de Paume", Paris, dem "Louisiana Museum of Modern Art", Humlebäk, Dänemark und dem "Martin-Gropius-Bau", Berlin, organisiert und zusammengeführt.
Cindy Sherman - Retrospektive 2. Dezember 2006 bis 28. Januar 2007