Christoph Niemann. Unterm Strich

Christoph Niemann ist einer der gefragtesten Grafiker der Welt. Seit Jahren gestaltet er Cover für "The New Yorker", "The New York Times", das "Time Magazine", für "Wired" oder das "Zeitmagazin", prägt Werbekampagnen, illustriert Texte, produziert Apps oder schreibt Kinderbücher. Das MAK widmet dem vielfach ausgezeichneten Meister seines Fachs eine Ausstellung und zeigt im Kunstblättersaal unter dem Titel "Christoph Niemann. Unterm Strich" mit 170 Illustrationen, Grafiken, Siebdrucken, Tusche- und Bleistiftzeichnungen, Büchern, Apps und Animationen einen Überblick über sein breites Schaffen.

Nach seinem Studium an der Stuttgarter Akademie der Bildenden Künste zog Christoph Niemann (*1970 in Waiblingen, Deutschland) nach New York, wo er zwischen 1997 und 2008 rasant in den Olymp des Grafikdesigns aufstieg. Mittlerweile lebt er wieder in Deutschland und zeichnet in seinem Berliner Studio für AuftraggeberInnen auf der ganzen Welt. Wie kein Zweiter setzt er ernste Themen zum Zeitgeschehen, aber auch banale Alltagsszenen mit Witz und Ironie in Szene. Bevorzugt mischt Niemann traditionelle Techniken wie Feder und Stift mit Digitalem. Immer wieder bringt er seine kreativen Ideen aber auch mit unkonventionellen visuellen Hilfsmitteln wie Teig, Laub, Spielzeug, Büroklammern, Kleiderbügeln, Kaffeetassen oder Salzstreuern, die er in mitunter groteske Zusammenhänge stellt, auf den Punkt.

Mit dem Sujet "Brooklyn Bridge" erregte Christoph Niemann im Jahr 2013 Aufsehen. Zwei Hände formen wie bei dem populären Kinderspiel aus einem Faden das weltbekannte New Yorker Wahrzeichen. Der deutsche Bundespräsident Gauck schenkte US-Präsident Barack Obama bei dessen Berlin-Besuch 2013 einen Siebdruck der Arbeit, die mit ihrer pointierten Aussage stellvertretend für Niemanns Hang zur Reduktion steht. Ähnlich "liest" sich sein Buchprojekt "I Lego New York" (2009), das mit den kleinen, abstrakten Lego-Steinen nachgebaute, typische New Yorker Szenen zeigt.

Neben Auftragsillustrationen arbeitet Christoph Niemann vielfach auch frei und hat damit großen Erfolg. In seinen "Kampagnen ohne Auftrag" thematisiert der Ausnahmegrafiker und Künstler mitunter vertraute Alltagsthemen: den Kampf um die Armlehnenhoheit in der Economy Class, den Ärger mit aufblasbaren Nackenkissen oder geschwollenen Beinen auf Langstreckenflügen oder die genüsslichen Erfahrungen beim Gummibärchen-Verzehr. Knappe Striche auf Papier mit oft kurzen, pointierten Texten erzählen vom Ringen mit sich selbst im kreativen Schaffensprozess, von medialer Betroffenheit während des entspannten Urlaubs am Meer oder der Schöpfungsgeschichte aus Teig, die beim Backen von Weihnachtskeksen entstand.

Die Social Media sind ein zentraler Baustein im Niemann’schen Universum. Seit 2008 schreibt und illustriert er den Blog "Abstract City" der New York Times, der seit 2011 vom New York Times Magazine unter dem Titel "Abstract Sunday" verwaltet wird. Serien veröffentlicht er regelmäßig auf seiner eigenen Homepage. Seine experimentelle Bildserie Sunday Sketches hat auf Instagram binnen kurzer Zeit eine große Fangemeinde gewonnen. Vom MoMA in New York erhielt Niemann den Auftrag, eine Animation für das online kuratierte Projekt "Design and Violence", das sich der Beziehung von Gestaltung und Gewalt in unserer heutigen Gesellschaft widmet, zu produzieren.

Anlässlich der Fußball-WM 2014 gestaltete er als Tourist in Rio seinen ersten interaktiven Essay über seine Erlebnisse mit dem brasilianischen Fußball, dem Verlieren und der Wiederversöhnung. Bei vielen dieser interaktiven Projekte müssen die BenutzerInnen selbst mit digitalen Werkzeugen kreativ werden, wie etwa bei der App "Petting Zoo" (2013), wo Tiere durch Berührung zum Leben erweckt werden. Im Cyberspace verwirklichte Christoph Niemann auch seine am häufigsten gesehenen Arbeiten: animierte Logos für die Homepage von Google.

Mit Österreich ist Christoph Niemann durch seine Arbeiten für die Rechtsanwaltssozietät Wolf Theiss in Wien verbunden, die regelmäßig Sujets des Berliners in den österreichischen Tageszeitungen "Der Standard" und "Die Presse" inseriert. Die reduzierten Illustrationen, die mit viel Ironie und hintergründigem Witz die Angebote der Kanzlei bewerben, prägen sich bei den BetrachterInnen ein und schaffen in der MAK-Ausstellung auch beim österreichischen Publikum einen Wiedererkennungseffekt.

Zu Christoph Niemanns AuftraggeberInnenn zählen neben weltweit gelesenen Medien international bekannte Unternehmen wie Citibank, Amtrak oder Nike. Eines seiner aktuellsten Projekte ist die Illustration von Erich Kästners "Es gibt nichts Gutes, außer: Man tut es" (Atrium Verlag, 2015), mit der Niemann das Verhältnis zwischen Sprache und Bild neu interpretiert. Christoph Niemanns Werke wurden vielfach aus-gezeichnet, unter anderem mit dem Sondermann-Preis für Komische Kunst (2012) und dem Deutschen Jugendliteraturpreis (2014). Im Jahr 2010 wurde Niemann zum Mitglied der Hall Of Fame des Art Director’s Club New York ernannt. Er ist Mitglied in der Alliance Graphique Internationale.


Christoph Niemann. Unterm Strich
1. Juli bis 27. Oktober 2015