Charley Harper im Hamburger Kunstverein

Vögel, Säugetiere, Insekten, Reptilien und Fische – die zahlreichen Motive des Malers und Grafikers Charley Harper (1922 –2007) formen ein visuelles Ökosystem, in dem Farben, Formen, Linien und Themen in Wechselbeziehung zueinander stehen und eine vollkommene Balance bilden. Harper hat die besondere Fähigkeit, die Essenz, das Wesen jedes lebenden Organismus mit wenigen Strichen oder Formen einzufangen. Seine Arbeiten fordern unsere bisherige Wahrnehmung der Umwelt heraus und bieten einen neuen und unerwarteten Weg, die Natur in einfachen und doch komplexen Bildern und Worten zu erfahren.

Charley Harper war erst Student und später auch Lehrer an der Kunstakademie in Cincinnati (Ohio, USA). Dort lebte und arbeitete er mehr als 45 Jahre, dort entstand auch die große Anzahl von Siebdrucken, Malereien, Werbegrafiken, Wandgemälden, Plakaten und Buchillustrationen. Seine Begeisterung für die Natur begann mit den Illustrationen für das Buch "Das goldene Buch der Biologie" (The Giant Golden Book of Biology) 1961. In diesem Buch malte Harper Menschen, Pflanzen und Tiere, um Kinderfragen über das Leben zu beantworten. Für das Lifestyle-Magazin Ford Times von der Ford Motor Company entwarf er seit 1954 seine ersten Siebdrucke mit Vögelmotiven.

Charley Harper fängt das Wesen seiner Bildmotive mit wenigen, aber bewusst ausgewählten, visuellen Elementen ein. Er selbst bezeichnete diesen Stiel als "minimalen Realismus" (Minimal Realism). Als Künstler war er weniger daran interessiert, eine Illusion der Realität zu kreieren, als vielmehr die unendlichen Muster und Entwürfe der Natur einzufangen. Im Gegensatz zur traditionellen realistischen Naturmalerei ist seine Form der Darstellung grafisch einfach, simpel und doch spielerisch und unterhaltsam. Im Gegensatz zu realistischen Naturdarstellungen, stellt Harper seine Motive nicht plastisch oder farbecht dar. Seine stark grafisch aufgebauten Bilder sind vor allem vom Kubismus und Minimalismus beeinflusst und abstrahieren die Natur- und Tiervorbilder auf einfach geometrische Formen. Sein Stiel reduziert komplexe Organismen und Naturmotive auf ihr Wesentliches. Diese Reduktion führt aber nicht zu einem Identitätsverlust. Ganz im Gegenteil. Erst durch diese Vereinfachung treten Besonderheiten und Auffälligkeiten besonders hervor.

Harper erschloss sich seine Umwelt nicht mit Pinsel und Farbpalette, sondern vielmehr mit Lineal, Zirkel oder Kurvenlineal und näherte sich der Einzigartigkeit der Organismen auf diese Weise fast analytisch an. Doch im Gegensatz zu Naturwissenschaftlern war er nicht an den Details interessiert. Ihn faszinierte vielmehr das markante, offensichtliche Merkmal, welches ein Tier oder eine Pflanze auszeichnet und leicht wiedererkennen lässt. Seine Siebdrucke ergänzte Charley Harper um humorvolle und nachdenkliche Reime und Wortspiele. Titel wie Beetle Battle, Lovey Dovey, Twoowl, Dolfun und Tailgator fangen spielerisch bestimmte Eigenschaften oder Auffälligkeiten ein.

Durch die intensive Auseinandersetzung mit der Natur entwickelte Charley Harper schon früh ein besonderes Verständnis für die Bedeutung und den Erhalt des Ökosystems. Hinter seinen farbenprächtigen Bildern verbirgt sich durchaus eine mahnende Botschaft, die den Stellenwert des Umweltschutzes hervorhebt und ein Bekenntnis zum bewussten Umgang mit der Natur darstellt. Da seine Motive immer von der Natur inspiriert waren, arbeitete Harper häufig für Umweltschutzorganisationen oder National Parks wie National Park Service; Cincinnati Zoo; Cincinnati Nature Center; Hamilton County (Ohio) Park District; und Hawk Mountain Sanctuary in Pennsylvania. Für den Everglades National Park in Florida entwickelte er z.B. auch Informations-Displays.

Als erste Institution in Deutschland präsentiert der Kunstverein Hamburg mehr als 60 Siebdrucke und Illustrationen aus den Jahren 1956 bis 2007 im Rahmen einer umfangreichen Einzelausstellung. Ein vielseitiges Veranstaltungsprogramm mit Workshops für Kinder und Jugendliche, Naturfilm-Vorführungen, thematischen Besuche im Tierpark Hagenbeck sowie spezielle Führungen mit NaturwissenschaftlerInnen werden die Ausstellung begleiten. Ziel ist es, nicht nur die bisher noch wenig bekannte Kunst Charley Harpers einem größeren Publikum vorzustellen, sondern auch gleichzeitig auf aktuelle Umweltprobleme und Möglichkeiten zum Schutz von Flora und Fauna hinzuweisen.

Charley Harper
25. Juni bis 11. September 2011