Die erste Einzelausstellung der argentinischen Künstlerin Celina Eceiza in einem europäischen Museum wird von der Halle für Kunst Steiermark in Kooperation mit dem Museo de Arte Moderno de Buenos Aires präsentiert. Der einzigartige Zugang zum Raum wird durch "Ofrenda" (Geschenk) eröffnet. Hier wird Architektur wie ein atmender, lebendiger Körper erfahrbar, der seinen Zustand verändert, während man von einem Raum in den nächsten schreitet. Die Starre des Gebäudes löst sich auf, sobald die Wände mit Tausenden Metern Stoff behängt werden. Diese sind durch kollektives, zeitloses Nähen miteinander verbunden und bilden eine einzige, glatte, empfindliche Oberfläche, die auf die kleinste Veränderung reagieren kann.
Eceizas Werk wächst aus einer fast organischen, metabolischen Kraft heraus und umfasst Textilcollagen, Skulpturen, Malerei und Zeichnungen – mal winzig, mal monumental –, die gleichermaßen aufwendig wie elementar sind. Die Künstlerin verbindet handwerkliche Textiltechniken wie Patchwork und Collagen aus Fundstücken mit jüngsten Experimenten in Kreidepastellen, die ihren Bildern neue Fluidität verleihen. Ihre Kompositionen sind geprägt von weichen Formen, verdrehten Körpern, Blumen und Früchten in der Tradition klassischer Stillleben. Sie sind durchzogen von Bezügen zur Kunst des 20. Jahrhunderts und kulturellen Schichten – von der griechisch-römischen Antike bis zur Hippiebewegung der 1960er-Jahre.
Die Ausstellung zeigt zwei der Räume aus „Ofrenda”, Eceizas großem Einzelprojekt, das 2024 von Jimena Ferreiro im Museo Moderno in Buenos Aires kuratiert wurde. Es entstand nach einem Jahr intensiver Arbeit und war bis dahin Eceizas ambitionierteste Installation. Das Museum suchte die Zusammenarbeit mit Eceiza, da sie die besondere Fähigkeit besitzt, Räume in Orte des sozialen Miteinanders zu verwandeln. Für die Installation überzog die Künstlerin Wände, Decken und Böden mit Hunderten handgefärbter Stoffe. Das Nähen verband nicht nur die Elemente – wie die Anfertigung eines maßgeschneiderten Anzugs für das Gebäude –, sondern erzeugte auch die komplexen Bildwelten ihrer Arbeiten.
Für diese Präsentation setzte sich Eceiza intensiv mit der Sammlung des Museo Moderno auseinander, insbesondere mit den Gemälden. Sie interpretierte die Werke in ihren Arbeiten neu und verwendete dabei zart verflochtene Textilien in prächtigen Collagenformen, um ihre persönliche Sicht auf die argentinische Moderne zu präsentieren. Ihre Lieblingswerke verwandelte sie in Fan-Art-Poster, um die Künstler:innen und Werke, die ihr besonders am Herzen liegen, mit dem Publikum zu teilen. Der Eingang zur Installation ist ein sonnendurchfluteter, gelber Raum, in dem alternative Kunstgeschichten neben bekannten Werken moderner argentinischer Künstler:innen wie Alberto Heredia, Juan del Prete, Yente oder Nicolás García Uriburu gezeigt werden. Deren Einfluss ist bis heute spürbar – nicht zuletzt durch ihre oppositionelle Haltung und unabhängige Produktion.
Der rote Raum von „Ofrenda” beeindruckt mit gigantischen Kreidezeichnungen auf Leinwand sowie handgefärbten Stoffen und Teppichen. Die symbolträchtigen Kompositionen zeigen Wesen und Körper im Wandel. In diesem Raum wirkt die malerische „Haut” mit ihren metaphorischen Falten und Knicken organisch, widerstandsfähig und zugleich fragil – eine Fragilität, die den Kern von Eceizas Werk bildet. Sie erschafft ein „weiches“ Museum, in dem das Sehen nicht der alleinige Sinn ist. Zwar bleibt der Sehsinn die Basis des Wissens, doch rückt Eceiza den Tastsinn und haptische Erfahrungen in den Vordergrund. In diesen begehbaren Kunstwerken, die die Betrachter:innen vollständig umhüllen, verweist die Künstlerin auf mythologische und spirituelle Vorstellungen eines erweiterten Universums. In diesem verbindet sie das Physische mit dem Immateriellen und Transzendenten, während sie zugleich einen niedrigschwelligeren Museumsraum schafft. Eceizas Ansatz greift populäre Praktiken aus Argentinien und dem Ausland seit den 1960er-Jahren auf, als Kunsträume verstärkt soziale Kontexte einbezogen. Frühe argentinische Experimente wie „La Menesunda“ (1965) von Marta Minujín und Rubén Santantonín sind beispielhafte Werke, die die Grenzen der Kunst erweiterten, um Räume zu schaffen, die mit allen Sinnen erlebt werden können. Eceiza kreiert Räume, die von Besucher:innen besucht und genossen werden können. Sie laden zum Verweilen ein und sind mit zahlreichen Kissen auf dem Boden ausgestattet. Hier kann man Müßiggang als positive, bereichernde Tätigkeit neu entdecken. Ihre Installationen bieten weiche, offene Architekturen, die wie Zustände des Geistes erfahrbar werden und den Körper zu einer sinnlichen, intuitiven Wahrnehmung einladen. Diese intime und zugleich kollektive Erfahrung offenbart ihre politische Kraft: Kunst wird als lebendige Form erlebbar, die gepflegt werden muss, um neue Verbindungen zwischen Menschen zu schaffen.
Die Energie Argentiniens und der Blick in die Ferne wirken besonders belebend und befreiend, vor allem in Bezug auf Buenos Aires, die weitläufige Hafenstadt der „guten Winde“, deren unerschütterliche Bewohner:innen, die Porteños und Porteñas, von keiner Krise unterzukriegen sind und ihre Traditionen stetig neu interpretieren und lebendig halten. Der Sinn von Körperlichkeit, sowohl individuell als auch sozial, spielt hier eine zentrale Rolle. Mit „Ofrenda” bietet uns Celina Eceiza ein seltenes Geschenk. Hoffnung und Lebensfreude in schwierigen Zeiten, gerade in Momenten der Knappheit. Betritt man Eceizas fantastische Welt voller impulsiver Bewohner:innen, so verlässt man sie verwandelt mit einer freieren Wahrnehmung der eigenen Körper und ihrer sozialen Kraft.
Celina Eceiza wurde 1988 in Tandil, Argentinien, geboren und lebt heute in Buenos Aires.
Celina Eceiza
Ofrenda
Bis 18. Jänner 2026
Koproduktion Halle für Kunst Steiermark Museo de Arte Moderno de Buenos Aires
Kuratiert von Sandro Droschl in Zusammenarbeit mit Agustina Vizcarra