Der in Hamburg geborene Maler Carl Lohse (1895–1965) schuf nach dem Ersten Weltkrieg ein ebenso kompromissloses wie markantes expressionistisches Werk und zählt zu den lang übersehenen Ausnahmefiguren der Kunstgeschichte.
Die Einzelausstellung im Kunstmuseum Ravensburg setzt ihren Schwerpunkt bei Gemälden aus Lohses intensivster Schaffensphase, die von kühnen Farbkombinationen und einer eindrücklichen Formreduzierung gekennzeichnet ist. Sein farbmächtiges Frühwerk entwickelt Lohse vor dem Hintergrund erlebter Traumata des Kriegs in einem regelrechten Schaffensrausch. Im sächsischen Bischofswerda bei Dresden entstehen zwischen 1919 und 1921 vibrierende (Stadt-)Landschaften und eigenwillige Porträts im Medium Malerei, Zeichnung und Skulptur, die die innere Zerrissenheit des jungen Künstlers spiegeln und es vermögen, seelische Tiefendimensionen einzufangen. Neben mehr als dreißig Gemälden versammelt die Ausstellung zahlreiche Grafiken und einige Skulpturen. Abrupt endet die erste Schaffensphase: Lohse wird Bankbote, Straßenbahnschaffner und schließt sich den Zeugen Jehovas an. Es folgen verschiedene Abschnitte seiner mehrmals unterbrochenen Karriere, die bis 1965 reicht. Eine breite Wiederentdeckung erfuhr das Werk von Carl Lohse 2017 durch die Ausstellungen im Ernst Barlach Haus in Hamburg und im Albertinum, Staatliche Kunstsammlungen Dresden.
Gleichzeitig mit der Schau wird im 2. Obergeschoss die Ausstellung "Von Angesicht zu Ansgesicht. Zwei süddeutsche Sammlungen im Dialog" eröffnet. Dabei treten ausgewählte Klassiker der Sammlung Selinka des Kunstmuseums Ravensburg erstmals mit weiteren hochkarätigen Arbeiten aus einer süddeutschen Privatsammlung in Dialog. Die Ausstellung beleuchtet anhand von über 30 Gemälden und Grafiken der klassischen Moderne das fruchtbare Zusammenspiel der beiden Sammlungen. Schwerpunkt bilden Landschafts- und Aktdarstellungen von Mitgliedern der Künstlergruppe Brücke (1905–1913), von Karl Schmidt-Rottluff, Max Pechstein, Otto Mueller und Ernst Ludwig Kirchner, u. a. ergänzt durch ikonische Porträts von Alexej von Jawlensky und Arbeiten von Robert Delaunay. Die Sammlung Selinka des ehemaligen Werbeberaters Peter Selinka (1924–2006) ist Ausgangspunkt und Fundament des Kunstmuseums und fußt auf Arbeiten des deutschen Expressionismus. Seit 2022 werden die Museumsbestände durch Leihgaben einer weiteren Privatsammlung ergänzt. Zum ersten Mal wird nun ein größeres Konvolut dieser Sammlung der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Konzipiert wurde die Ausstellung anlässlich des 10-jährigen Jubiläums des Kunstmuseums, das 2023 stattfindet.
Carl Lohse. Ein Maler des Expressionismus (EG, 1. OG)
19. November 2022 bis 5. März 2023Von Angesicht zu Ansgesicht. Zwei süddeutsche Sammlungen im Dialog (2. OG)
19. November 2022 bis 25. Juni 2023