Burg-Stars

Das Burgtheater ist bekannt als "Schauspieler-Theater", um die Darsteller wurde seit jeher ein enormer Personenkult betrieben. Viele gehen wegen der Publikumslieblinge ins Theater und nicht, weil sie ein bestimmtes Stück sehen wollen – ein Umstand, der immer wieder beklagt wurde. Das Starwesen setzte früh ein, nämlich im Zuge der Erhebung des "Theaters nächst der Burg" zum "Teutschen Nationaltheater" (1776).

Die Hofschauspieler standen im direkten Blickfeld des Kaisers und genossen vor allem im 19. Jahrhundert bei Adel und Bürgertum hohes gesellschaftliches Ansehen. Ab dem 20. Jahrhundert konnten viele Publikumslieblinge ihre Popularität durch ihre Mitwirkung in Filmen weiter steigern.

Die kultische Verehrung fand schon früh ihren Ausdruck im Auftrag von Kaiser Josef II., die bedeutendsten seiner "Nationalschauspieler" für das Burgtheater zu porträtieren. Die Ausstellung in der Hermesvilla zeichnet die Tradition der Schauspieler-Porträts über 230 Jahre hinweg nach. Die Gemälde spiegeln die Wiener "Theatromanie" (Stefan Zweig) und den Wandel der Zeitstile. Viele zu ihrer Zeit kultisch verehrte Mimen sind heute vergessen, andere aber behielten ihren Glanz über Generationen hinweg. Ergänzt werden die Porträts aus der "Ehrengalerie" des Burgtheaters mit Objekten aus der Sammlung des Wien Museums, darunter Gemälde, Totenmasken und Erinnerungsgegenstände.

Dass man im 18. Jahrhundert Schauspieler porträtieren ließ, war in Österreich keineswegs üblich. Daher führte die Initiative Joseph II. ab 1786 zu einer in dieser Form europaweit einzigartigen "Theater-Galerie", für die man später den Begriff "Ehrengalerie" verwendete. Die Sammlung wurde im Verlauf des 19. Jahrhunderts mit Gemälden und Büsten laufend erweitert, die die Burgstars zumeist in ihren Glanzrollen zeigen. Im 20. Jahrhundert kam es jedoch nur noch fallweise zu Ergänzungen. 2006 erfolgte nach längerer Unterbrechung ein Neustart mit der Beauftragung zeitgenössischer Künstler. Viele Porträts befinden sich heute in den Foyers des Burgtheaters, andere im Depot. Nicht alle Porträts sind im Auftrag des Burgtheaters entstanden, viele kamen auf unterschiedliche Wege in die Sammlung.

Viele der Bilder sind konventionell, es sind aber auch Werke bedeutender Maler wie Ferdinand Georg Waldmüller, Hans Makart oder Carry Hauser vertreten. Für die neue Porträtgalerie, die 2006 von Direktor Klaus Bachler mit Unterstützung der Österreichischen Post AG initiiert wurde, engagierte man bedeutende zeitgenössische KünstlerInnen wie Erwin Wurm oder Elke Krystufek. Die Ausstellung in der Hermesvilla zeigt eine Auswahl der wichtigsten Schauspieler ihrer Zeit, wobei möglichst künstlerisch hochwertige Arbeiten berücksichtigt wurden.

Das erste Ensemble des alten Burgtheaters am Michaelerplatz formte sich zunächst aus Schauspielern, die hier schon vor dessen Ernennung zum Nationaltheater gewirkt hatten, und Neuzugängen aus Deutschland, die man auf Wunsch von Joseph II. nach Wien lockte. Viele der ersten Burgtheater-Stars stammten aus einfachen Verhältnissen, die Auszeichnung als "Schauspieler des Kaisers" brachte ihnen einen enormen gesellschaftlichen Aufstieg. Die künstlerische Ausrichtung des Theaters bestimmten zunächst die Schauspieler selbst, 1789 übernahm Franz Karl Brockmann erstmals allein die Leitung, wenn auch alle wesentlichen Entscheidungen nur mit kaiserlicher Zustimmung erfolgen konnten. Aufgrund der strengen Zensur ließ der Spielplan allerdings lange zu wünschen übrig, weshalb man eben vorwiegend ins Theater ging, um die Schauspieler zu sehen. Erst unter Joseph Schreyvogel als "artistischem Sekretär" von 1814 bis 1832 wurde das Wiener Publikum verstärkt mit der Weltliteratur von Shakespeare, Goethe, Schiller, Lessing und nicht zuletzt Franz Grillparzer konfrontiert, neu engagierte Stars wie Sophie Schröder oder Heinrich Anschütz hoben das Ansehen der Bühne im deutschen Sprachraum.

Die Glanzzeit des alten Burgtheaters fällt in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts, als Zerline Gabillon, Joseph Lewinsky, Fritz Krastel oder Charlotte Wolter vom Dramatiker und Burg-Direktor Heinrich Laube entdeckt wurden. Viele der Burgschauspieler bestimmten lange Zeit das deutschsprachigen Theater und wirkten in der Wiener Gesellschaft geschmacksbildend, etwa in Sachen Mode. Der unbestrittene Star des Ensembles hieß Charlotte Wolter, die zum Inbegriff des pathetischen, dekorativen Historismus wurde. An der Schauspielerin Katharina Schratt wird ersichtlich, dass die Verehrung von Burgschauspielern bis in die höchsten gesellschaftlichen Kreise - in diesem Fall war es der Kaiser persönlich - hinaufreichte.

Mit dem Abbruch des alten Burgtheaters und den Umzug an den Ring 1888 erfolgte auch ein Generationenwechsel, der die Burg für die Moderne öffnete. Neue Dramatiker wie Ibsen, Hauptmann oder Schnitzler kamen auf den Spielplan. Der im deutschsprachigen Raum dominante naturalistische Bühnenstil aus Berlin wurde zwar nicht übernommen, dennoch setzte sich die realistische Darstellung schließlich gegen den Widerstand der alten Generation durch, auch dank beliebter Vertreter der Wiener Mundart wie Hedwig Bleibtreu und Lotte Medelsky.

Die Geschichte der Burg war immer wieder geprägt vom schwelenden Konflikt zwischen großen Stars und dem Ensemble. 1894 meinte etwa der Schriftsteller und Kritiker Hermann Bahr: "Die Burg hat kein Ensemble. Jeder spielt auf eigene Faust." Zu den großen Individualisten um 1900 zählte Josef Kainz, der den Übergang zum modernen Darstellungsstil vollendete. In der Zwischenkriegszeit hatte Berlin Wien den Rang als Theaterstadt längst abgelaufen, zudem bekam die Burg mit dem Theater in der Josefstadt unter Max Reinhardt einen ernstzunehmenden Konkurrenten vor Ort. Herausragender Burgstar ab den 1930er-Jahren war Werner Krauß, der allerdings auch zur Symbolfigur des Arrangements mit den Nationalsozialisten wurde. Nur wenige jener Schauspieler, die vor dem NS-Regime fliehen mussten, kamen aus der Emigration wieder an das Haus zurück, wie etwa Ernst Deutsch oder Else Wohlgemuth.

Die im Krieg schwer beschädigte Burg wurde 1955 wieder eröffnet, in den darauf folgenden Jahrzehnten zählten zum Ensemble so klingende Namen wie Josef Meinrad, Gusti Wolf, Attila Hörbirger und nicht zuletzt Paula Wessely. Exzentriker wie Klaus Kinski oder Oskar Werner hielt es jedoch oft nur kurz am Burgtheater. Bis heute ist das Verhältnis des Wiener Publikums zu "seinen" Burgstars ein spezielles, das von grenzenloser Verehrung bis zur Gekränktheit reichen kann, falls ein Burgstar es wagt, seiner "Heimat" den Rücken zu kehren.

Burg Stars - 200 Jahre Theaterkult
30. März bis 4. November 2012