Bohrend recherchieren, nach Sensationen gieren - Journalismus im Film

12. März 2012 Walter Gasperi
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Sie ermitteln dort, wo die Polizei (noch) nicht aktiv wird, decken Skandale und politische Komplotte auf, gehen für Sensationen aber auch über Leichen. Schillernd und widersprüchlich ist das Bild, das vom Journalismus im Film gezeichnet wird. Nicht als strahlende Helden präsentieren Filme Journalisten, vielmehr als Einzelgänger, die kein Privatleben haben oder dieses für den Job, der ihr Leben ist, aufs Spiel setzen. Die Großstadt ist ihr Revier, hier hetzen sie ihren Stories nach. Ihr Streben nach Aufdeckung der Wahrheit wird in Filmen ebenso gefeiert wie ihre Sensationsgier kritisiert wird.

Als die vierte Macht im Staat gelten die Medien. Was damit gemeint ist, zeigte wohl am Eindrücklichsten Alan J. Pakula, der in "All the President´s Men - Die Unbestechlichen" (1976) Robert Redford und Dustin Hoffman als Washington Post-Reporter Bob Woodward und Carl Bernstein den Watergate-Skandal aufdecken ließ. Michael Mann ließ in "Insider" (1999) den von Al Pacino gespielten Journalisten Lowell Bergman einen Skandal in der Tabakindustrie aufdecken, Kevin McDonald Russell Crowe in der Kinoverfilmung der TV-Miniserie "State of Play" (2009) Verflechtungen von Politik und Waffenindustrie.

Während der gelernte Reporter Sam Fuller in "Park Row" (1952) ein Hohelied auf den Journalismus sang, zeichnete Orson Welles zwölf Jahre früher in "Citizen Kane" (1940) ein ungleich ambivalenteres Bild. Da wird einerseits dem in den Wochenschauen verbreiteten offiziellen Bild des Medienzaren Charles Foster Kane das Bild gegenüber gestellt, das sich durch die Recherchen des Journalisten ergibt. Gleichzeitig bietet Welles Einblick in die Arbeit Kanes, der mit seiner medialen Macht Politiker protegierte oder vernichtete und Mitarbeiter, die sich der Linie seines Mediums nicht unterordneten, ohne Zögern entließ.

Darüber hinaus bietet aber auch die Rezeption dieses Klassikers Einblick in die Macht der Medien. Denn Medienzar Charles Randolph Hearst, nach dessen Vorbild Welles seinen Kane gestaltete, akzeptierte diese Darstellung nicht und sorgte wiederum mit seiner medialen Macht für das Totschweigen des Films dafür, sodass "Citizen Kane" bei seiner Erstaufführung in den USA zum kommerziellen Misserfolg wurde und Welles folglich nie mehr die Freiheiten bekam, die er hier genoss.

Diese Macht der Medien, die einen Menschen vernichten können, thematisierte auch Volker Schlöndorff in der Heinrich-Böll-Verfilmung "Die verlorene Ehre der Katharina Blum" (1974), in der eine unbescholtene Frau aufgrund ihrer Beziehung zu einem Straftäter ins Fadenkreuz der Boulevardpresse gerät. Während Böll/Schlöndorff konkret auf die Stimmung in der BRD zur Zeit des RAF-Terrorismus und die Methoden der "Bild"-Zeitung anspielen und den Film auch mit dem Zusatz "Ähnlichkeiten mit gewissen journalistischen Praktiken sind weder beabsichtigt noch zufällig, sondern unvermeidlich" enden lassen, verpackte Billy Wilder seine gnadenlose Kritik am Sensationsjournalismus in "The Big Carnival - Ace in the Hole" ("Reporter des Satans", 1957) in eine fiktive Geschichte.

Wenn Kirk Douglas hier als Reporter das Leben eines in einer Höhle eingeschlossenen Mannes riskiert, nur um die Story entsprechend aufbauschen und ausdehnen zu können, rechnet Wilder aber nicht nur mit der Boulevardpresse ab, sondern auch mit einer Gesellschaft, die gerade solche Sensationen gierig konsumiert. Dass ein Film, der auch sein potentielles Publikum heftig angreift, kein Erfolg wurde, kann kaum verwundern.

Mehr Glück hatte Wilder, der wie Fuller als Reporter begonnen hatte, mit seiner Verfilmung von Ben Hechts und Charles McArthurs Theaterstück "The Front Page" ("Extrablatt", 1973). Nach Lewis Milestone (1931) und Howard Hawks ("His Girl Friday - Sein Mädchnen für besondere Fälle", 1941) war dies schon die dritte Verfilmung des Stoffes, doch Wilders Traumpaar Matthau und Lemmon sorgte dafür, dass bei den rasanten Dialoggefechten zwischen dem Chefredakteur und dem Starreporter, der kündigen will, das Publikum voll auf seine Kosten kam.

In Gewissenskonflikte zwischen objektiver Berichterstattung und engagierter Stellungnahme für die Schwachen lassen Filmemacher Reporter vor allem in exotischen Krisengebieten geraten. Nur Fotos machen, aber keine Position beziehen, will da der von Nick Nolte gespielte Kriegsfotograf in Roger Spottiswoodes "Under Fire" (1983) in Nicaragua zunächst, ergreift aber schließlich angesichts der Gräuel des Somoza-Regimes Position für die Sandinisten und fälscht sogar ein Foto.

Thematisch ähnlich gelagert sind Peter Weirs "The Year of Living Dangerously" ("Ein Jahr in der Hölle", 1982), der im Indonesien der 1960er Jahre während des Bürgerkriegs zwischen Diktator Sukarno und den Kommunisten spielt, Oliver Stones im vom Bürgerkrieg zerrütteten El Salvador spielender "Salvador" (1986) und "The Killing Fields" (1984), in dem Roland Joffe den Massenmord der Roten Khmer an der kambodschanischen Bevölkerung aufrollt.

Vermehrt rücken inzwischen aber, mit Wurzeln im Direct Cinema der 1960er Jahre, nicht nur Journalisten ins Zentrum von Spielfilmen, sondern arbeiten Dokumentarfilmmacher nicht zuletzt dank leichter digitaler Aufnahmetechnik selbst wie Journalisten, wenn Michael Moore in "Roger and Me" (1989) den Geschäftspraktiken von General Motors, in "Bowling for Columbine" (2002) der amerikanischen Begeisterung für Waffen, in "Sicko" (2007) dem Stand des amerikanischen Gesundheitssystems und in "Capitalism – A Love Story" (2009) den verheerenden Folgen des Kapitalismus nachspürt. Mit objektiver Berichterstattung hat das dann freilich wenig zu tun, bedient sich vielmehr bedenklicher Polemik.

Originaltrailer von "All the President´s Men"