Blue Links - Cyanotypes von Daniela Keiser

Wenn sich die Schweizer Künstlerin Daniela Keiser mit einem Phänomen befasst, dann aus möglichst vielen verschiedenen Blickwinkeln. So auch in ihrer neuen Werkgruppe, die sie in der fotografischen Technik der Cyanotypie umgesetzt hat.

Entstanden sind Arbeiten in fein nuancierten Blautönen. Blau ist daher die bestimmende Farbe der Ausstellung in der Graphischen Sammlung ETH Zürich. Dort ist zugleich zu entdecken, dass es in Keisers Werk nicht nur um die Farbe an sich geht, sondern darüber hinaus um Motive oder Inhalte, die in der einen oder anderen Form dazu in Bezug stehen: um Landschaftsformationen, Besiedlungsstrukturen, um die Globalisierung oder eine Wirtschaftstheorie. Keiser schafft so einen blauen Kosmos.

Daniela Keiser ist eine Konzept- und Installationskünstlerin, die sich in ihrem Schaffen seit langem mit Bildwissenschaft, Fotografie, Collage und Sprache beschäftigt. Dies alles verbindet sie zu losen offenen Strukturen. So auch in ihrer Gruppe von Cyanotypien, die auf die Ausstellung hin entstanden ist und in der Graphischen Sammlung erstmals gezeigt wird. Ausgangspunkt für Keisers Vorhaben ist ihre mehrjährige Beschäftigung mit einer Technik, die 1842 von Sir John Herschel (1792–1871) erfunden und kurz darauf von Anna Atkins (1799–1871) verwendet wurde – einer der ersten Fotografinnen überhaupt. Keiser, von Atkins’ Technik genauso wie von ihrer spezifischen Ästhetik inspiriert, aktiviert damit ein Verfahren aus der Gründerzeit der Fotografie. Sie setzt digitale eigene Fotografien oder gefundene Abbildungen in einem mehrstufigen Prozess als Cyanotypien um.

Die spezifische fotografische Technik ist zugleich eine Art Trigger für die verschiedenen Anknüpfungspunkte in Keisers Projekt. Die Künstlerin beschäftigt sich mit Phänomenen, die Landschaftsformationen, Besiedlungsstrukturen, Globalisierung, Agrarhandel wie auch die Farbe an sich umfassen. Wichtig ist hierbei die Theorie der "Blauen Banane", mit der 1989 eine dicht besiedelte Region zwischen Manchester und Mailand definiert wurde, die aufgrund ihrer globalen Verflechtung als aktive und dynamische Zone begriffen wird. Von dieser Theorie fasziniert, hat Keiser einerseits NASA-Aufnahmen gesucht, welche die Erde vom Weltall aus zeigen und diese bevölkerungsreiche Gegend anhand der Lichtbänder sichtbar machen. Andererseits ist sie selbst an die Ränder dieser wirtschaftlich prosperierenden Region gereist und hat Orte fotografiert, die alle durch die eine oder andere geologische Struktur gekennzeichnet sind: Basaltsäulen oder Flysch. Alle diese Bilder hat sie ebenfalls in Cyanotypien transformiert. So sind in der Graphischen Sammlung nebst Werken, die das Weltall, Pflanzen oder Früchte zum Motiv haben, auch riesige Formate mit diesen Gesteinsformationen zu sehen. Man taucht förmlich in die Landschaftsbilder ein, von denen das Grösste über zwei Meter hoch und sechs Meter breit ist.

Die physische Bewegung zu den Randzonen der "Blauen Banane" hat zu einem kuratorischen Konzept geführt, welches die Ortsveränderung auch realiter aufnimmt. Zeitgleich neben der Hauptausstellung in der Graphischen Sammlung ETH Zürich werden gezielte Interventionen in zwei weiteren Institutionen gezeigt: Cyanotypien von Basaltstrukturen Panská skálas (Tschechien) sind im Studiensaal des Kupferstich-Kabinetts, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, zu sehen, solche vom Giant’s Causeway (Nordirland) wiederum im Ulster Museum, Belfast. Damit ist eine multinationale Kooperation entstanden: Zwischen den verschiedenen Orten entstehen Verbindungen, die sonst nicht sichtbar wären, und sie verlinken auch die Institutionen miteinander. Die geografisch verteilten Werke finden wiederum im Medium des Buches zusammen. Die enthaltenen Texte beschäftigen sich aus dezidiert unterschiedlichen Perspektiven mit Keisers Werk, unter anderem aus philosophischer, kunsthistorischer, ethnografischer, astrophysikalischer, architektonischer, geochemischer, geologischer oder poetischer Sicht. Auf diese Weise ist ein spannungsvoller, vielstimmiger Chor entstanden, der dem bildnerischen Vorgehen Keisers sehr gut entspricht.

Blue Links. Cyanotypes. Daniela Keiser
Bis 26. Juni 2022