Nicht alle Kunstwerke geniessen auf der Reise, die sie von ihrer Entstehungszeit in unsere Gegenwart führt, dieselben Privilegien. Während die Werke arrivierter Künstler oben auf Deck für alle sichtbar sind, bleibt für viele andere nur die Möglichkeit als Blinde Passagiere an Bord zu gehen. Stets reist dabei die Hoffnung mit, irgendwann doch noch vom grossen Publikum beachtet zu werden. Eine solche Gelegenheit will die Ausstellung "Blinde Passagiere" jenen verborgen gebliebenen Kunstwerken bieten. Für die Besucherinnen und Besucher bedeutet dies, sich auf Entdeckungsreise zu begeben und viele bisher unbekannte Bilder der Schweizer Kunstlandschaft aufzuspüren.
Die Sonderausstellung "Blinde Passagiere" bietet dem Publikum eine einmalige Gelegenheit, zahlreiche Werke von Schweizer Künstlerinnen und Künstlern kennenzulernen, die bis anhin kaum Aufmerksamkeit genossen haben. Die Ausstellung hat dabei den Anspruch, die ästhetische und inhaltliche Vielfältigkeit und die stilistische Breite von Schweizer Malerei zu zeigen. Die Zeitspanne der Entstehung der präsentierten Werke ist gross: So handelt es sich um Werke aus dem 18. und 19. Jahrhundert, aber ebenso um Arbeiten, die in den letzten 50 Jahren entstanden sind. Schwerpunktmässig vertreten sind Werke aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, in dem es in der Schweiz eine auffallend rege und erfindungsreiche Kunstproduktion gab.
Neben einigen in die Kunstgeschichte eingegangen Namen wie Arnold Böcklin (1827 – 1901), Félix Vallotton (1865 – 1925) oder Cuno Amiet (1868 – 1961) dienen vor allem unbekannte Positionen dabei als Beleg für die stark verschiedenen künstlerischen Ausdrücke, die sich gleichzeitig in der Schweiz entwickelten. Es werden sowohl hervorragende Einzelwerke von Maler/-innen, die kaum ein bedeutendes Gesamtwerk hinterlassen haben, als auch Bilder von Künstler/-innen vorgestellt, die schon immer von einzelnen Liebhabern und Fachleuten hochgeschätzt wurden, jedoch nie von einer breiteren Öffentlichkeit wahrgenommen worden sind. Mit über 250 Werken von über 130 verschiedenen Kunstschaffenden soll die Aufmerksamkeit auf das breite Spektrum der Schweizer Bilderlandschaft gelenkt werden.
Die grosse Anzahl Werke wurde thematisch gruppiert, sodass diese inhaltlich aufeinander reagieren. Jeder Ausstellungsraum ist einer bestimmten Thematik gewidmet. Unter "Sound" treffen Gemälde von Musizierenden auf abstrakte Gemälde von Luigi Lurati (1936 – 1967), die daraufhin an Schallwellen erinnern. Bei "Blicke" beobachten wir Männer, Frauen und Kinder, die miteinander, aber auch mit Tieren, Bäumen und Blumen über den Bildrand hinaus zu kommunizieren scheinen. Oft greifen die Thematiken Phänomene aus der Natur und deren Wiedergabe in der Malerei auf, beispielsweise der Darstellung von Wasser (Schweres Wasser) oder Luft (In der Luft), von Pflanzen (Verzweigungen, Treibhäuser) oder Landschaften (Sanfte Hügel).
Das Gegensatzpaar "Zahm und wild" lässt sich inhaltlich wie auch stilistisch verstehen. Mit neusachlichen Arbeiten von Künstlern wie Niklaus Stoecklin (1896 – 1982), Theodor Barth (1875 – 1949) oder Oskar Tröndle (1883 – 1945) wird das Thema "Genau genommen" reflektiert. In Ateliers wird ein Blick auf die künstlerische Produktion geworfen und bei Nachnahmen über die Auseinandersetzung mit Meisterwerken reflektiert. In "Randabfallend" wird ersichtlich, wie nah Abstraktion und Figuration einander manchmal sind. "An der Arbeit oder Nächte" führen einem das tägliche respektive nächtliche Leben vor Augen und schliesslich findet man sich in verschiedenen Umgebungen wie bei "Zum Stadtrand oder Anderswo" wieder.
Die Werke in der Ausstellung stammen zu einem grossen Teil aus der Privatsammlung von Peter Suter, Co-Kurator von "Blinde Passagiere", und aus der Sammlung des Aargauer Kunsthauses. Die Zusammenführung aus einer kunsthistorisch konzipierten, öffentlichen Museumssammlung und einer künstlerisch motivierten Privatsammlung lässt eine völlig neue, unerwartete Übersicht zu, die aussergewöhnliche Eindrücke und Begegnungen ermöglicht. Punktuell wird die Schau durch Leihgaben aus Privatsammlungen und Museen wie dem Kunstmuseum Basel, dem Museum zu Allerheiligen Schaffhausen oder dem NMB
Zur Ausstellung erscheint der reich bebilderter Katalog "Blinde Passagiere. Eine Reise durch die Schweizer Malerei" mit erstmals veröffentlichten literarischen Originaltexten von Klaus Merz, Michel Mettler, Stefanie Sourlier und Peter Suter. 320 Seiten. Gestaltet von Anne Hoffmann. Hrsg. von Thomas Schmutz, Aargauer Kunsthaus, Aarau und Peter Suter. Verlag Scheidegger & Spiess, Zürich, 2018.ISBN 978-3-85881-595-8
Blinde Passagiere. Eine Reise durch die Schweizer Malerei
27. Januar bis 15. April 2018