Bissiger Witz und tragikomische Existenz: Woody Allen

2. Dezember 2013 Walter Gasperi
Bildteil

Mit der Regelmäßigkeit eines Uhrwerks bringt Woody Allen Jahr für Jahr einen neuen Film in die Kinos. 44 hat der Komiker, Autor und Regisseur inzwischen schon gedreht, mit "Magic in the Moonlight", der in Südfrankreich spielen wird, ist sein 45. in Arbeit. Das Wiener Gartenbaukino und das Stadtkino Basel widmen Allen derzeit eine Werkschau.

Ähnlich wie Charlie Chaplin mit dem Tramp hat der eingefleischte New Yorker Woody Allen mit dem neurotischen Großstädter eine Figur geschaffen, die untrennbar mit seiner Person verbunden ist. So überzeugend wirkt diese freilich nur, weil unübersehbar viel von ihrem am 1. Dezember 1935 als Allan Stewart Konigsberg geborenen Autor und Erfinder selbst drinnen steckt, in ihr quasi sein Alter Ego gesehen wird.

Wie dieser Stadtneurotiker, der in "Annie Hall" (1977) seine markanteste Ausprägung fand, stammt Allen selbst aus einer jüdischen Familie, schwärmt für die europäische Kultur, speziell die Filme Ingmar Bergmans und Federico Fellinis, und hat mit Hollywood nicht viel am Hut. Die Fragen nach Gott und dem Sinn des Lebens, die Angst vor Krankheit und Tod, vor allem aber Probleme in der Beziehung zu Frauen – all das traut man dem kleinen Mann mit rotem Haar und schwarzer Hornbrille auch im wahren Leben zu.

Schon als 16-Jähriger schrieb Allen Gags für Komiker, arbeitete bald als Sketchschreiber für Fernsehshows, ehe er ab 1961 selbst in Nachtclubs auftrat. Nachdem er mit der Überarbeitung eines japanischen Films zum parodistischen Spionagefilm "What´s up, Tiger Lily?" 1966 seine Filmkarriere gestartet hatte, führte er schon mit seinem ersten eigenen Film "Take the Money and Run" (1969) die typische Allen-Figur ein. Ganz dem deutschen Titel "Woody – der Unglücksrabe" entsprechend spielt er einen echten Looser, einen Bankräuber, der sich ausgesprochen ungeschickt anstellt und schließlich zu 800 Jahren Knast verurteilt wird.

Wie dieses Debüt sprühen auch seine folgenden Satiren und Parodien "Bananas" (1971), "Everything you Always Wanted do Know about Sex** and Were Afraid to Ask" (1972), "Sleeper" (1973) und "Love and Death" (1975) vor Wort- und Bildwitz, lassen aber eine dramaturgische Linie vermissen. Ganz bei sich ist Allen erst mit dem Porträt eines neurotischen Großstädters in "Annie Hall" (1977), entwickelt diese Linie weiter in "Manhattan" (1979) und lässt die Figur immer wieder aufleben bis hin zu "Anything Else" (2003).

Doch trotz dieser wiederkehrenden, das Werk Allens dominierenden Figur schlug er dazwischen auch immer wieder höchst beglückende Kapriolen. Schwer tat man sich zumindest bei der Erstaufführung mit seinem todernsten, unübersehbar von Ingmar Bergman beeinflussten Familiendrama "Interious" (1978) und auch der sich an Fellinis "Otto e mezzo" anlehnenden Auseinandersetzung mit einer künstlerischen Krise in "Stardust Memories" (1980) wollte das Publikum nicht folgen.

Ein Glanzstreich gelang Allen 1983 mit "Zelig", in dem er im Stil eines Dokumentarfilms von einem menschlichen Chamäleon erzählt, das sich mühelos seiner Umwelt anpasst. Virtuos mit Schein und Sein spielte er in "The Purple Rose of Cairo" (1985), blickte liebevoll in die Glanzzeit von Hollywood zurück und erklärte dem Kino seine Liebe wie zwei Jahre später in "Radio Days" (1987) den Radiosendungen der 40er Jahre oder 1999 dem Swing der 1930er Jahre mit dem Porträt des fiktiven Gitarristen Emmet Ray in "Sweet and Lowdown" (1999).

Zu seinen Anfängen mit "Take the Money and Run" kehrte er mit der Gaunerkomödie "Small Time Crooks – Schmalspurganoven" (2000) zurück und in "Melinda and Melinda" (2004) ließ er metapoetisch eine typische Allen-Geschichte einmal tragisch und einmal komisch durchspielen. Wirklich Neues schien ihm allerdings nicht mehr einzufallen, bis der untrennbar mit seiner Heimatstadt New York verbundene Filmemacher einen Ortswechsel wagte und ihm in London mit "Match Point" (2005) ein pechschwarzes, messerscharf inszeniertes Meisterwerk gelang. Beste Unterhaltung bot mit seinen hinreißenden One-Linern auch Allens nächstes England-Projekt "Scoop" (2006), während "Vicky Cristina Barcelona" (2008) viel Reiz aus der ausgiebig ins Bild gerückten katalanischen Metropole und einem starken Schauspieler-Ensemble, aus dem eine feurige Penelope Cruz herausragte, bezog.

Wie sehr bei Allen Rückbesinnung auf seine Wurzeln und Aufbruch zu Neuem ständig abwechseln, zeigen auch seine neuesten Filme. Realisierte er mit "Whatever Works" (2009) ein Drehbuch aus den 1970er Jahren, dessen Hauptrolle für Zero Mostel geschrieben war, so betrat er mit seinen nächsten Filmen zumindest geographisch wieder Neuland, erklärte in "Midnight in Paris" (2011) der Seinemetropole und mit "To Rome With Love" (2012) der ewigen Stadt seine Liebe und wagte sich in "Blue Jasmine", das gleichermaßen von Tennessee Williams´ klassischem Stück "A Streetcar Named Desire" wie in der Darstellung von Cate Blanchett an Gena Rowlands unübertrefflichem Frauenporträt von John Cassavetes´ "A Woman Under Influence" (1974) beeinflusst ist, erstmals an die amerikanische Westküste, über die er in "Annie Hall" noch lästerte, dass ihr einziger kultureller Vorteil darn bestehe, dass man bei Rot rechts abbiegen dürfe.

Eröffnungsszene von "Manhattan"