Bildungszirkus

Bevor die PISA-Studie offiziell veröffentlicht ist, kursieren schon Werte und deuten Deutler offiziös nationalistisch. Ein lächerliches Schauspiel, das die Unverantwortung sowie Orientierungslosigkeit der "Verantwortlichen" eindrücklich dokumentiert. Wie bei seichter TV-Unterhaltung gieren Politiker und "Experten" auf Reihungen, die Rankings heissen und geben hochbezahlte Expertisen von sich. Das Bildungsproblem als solches wird damit überdeckt und weiter für die kurzfristigen Bedürfnisse der Wirtschaft ausgerichtet; das sogenannte "lebenslange Lernen" hat sich zur Drohung pervertiert und gibt so missverstandener Bildung jenen negativen Beigeschmack, den die solcherart operierende Gesellschaft und Wirtschaft braucht für die Zurichtung der Menschen.

Die Verrohung ist schon so weit fortgeschritten, dass es bereits als Erfolg verbucht wird, wenn eine Schule waffen- oder gewaltfrei erscheint, wenn Konflikte sich in Schlägereien, Mobbing oder Drogenexzessen ausdrücken, nicht aber in Morden.

Das beklagte Mobbing wiederum führt zu vermehrten Aufträgen für Psychagogen und Psychologen bzw. Psychiatern. Der Ruf nach Überwachung, Kontrolle und Betreuung, eine fatale Trias, verstärkt sich. Schul- und Bildungssysteme, in denen diese drei Aspekte die primären sind, können nicht positiv bilden. Hier geht es um Ab- und Zurichten. Wie beim Militär. Das tödliche Missverständnis, dass die Wehr, das Heer die Schule der Nation (gewesen) sei, setzt sich fort in der Überschätzung und gleichzeitigen Falschbescheidung des "Trainings" als Sonderform des Drills: hier geht es um Dressur und nicht Bildung. Hier geht es um Ranking und Konkurrenz. Hier geht es um Profit.

Bildung ist viel mehr als Faktenwissen. Wissen ist mehr als Information. Fakten sprechen nie für sich. Nichts spricht für sich. Alles muss zum Sprechen gebracht werden. Bildung ist das Vermögen, sich zur Persönlichkeit gebildet zu haben, die möglichst selbständig wahrnimmt, denkt und handelt. Die nicht nur maschinengleich Informationen abruft und platziert. Die nicht Maschinen zum Vorbild nimmt, sondern umgekehrt, zum Werkzeug. Die Unterordnung ist aber eine sklavenhafte: willig, dumm, borniert beugt sich die Mehrheit unter die Zusprüche oder Diktate von "Experten" oder simplen "Chefs", die das Sagen haben. Es regieren die modernen "Sachzwänge". Eigenes Denken wird nicht nur zum Luxus, sondern zur Abnormität und klingt verrufen wie "Eigensinn". Heute wertet man Eigensinnige als "eigensinnig" ab. So tief ist es gekommen. Und die meisten stimmen in die Abwertung ihres Eigenen mit ein. Sie sind noch stolz in der Abhalfterung der letzten Reste ihrer Persönlichkeit.

Dass diese Herde als Vorform der Horde jedoch Hirten und Führer hat, Wächter und Hunde, die im Zaum, also "zahm" halten, wird übersehen. Da helfen die Ablenkmedien, die Als-ob-Kommunikationen von Talkshows mit Tanten und Onkelchen und sozial gefeierter Dummheit. Da fühlt man sich gemeinschaftlich wohl im Suhlen und konsumiert dankbar, rührselig die Streicheleinheiten und Häppchen an vermeintlicher Zuwendung, die "selbstwertsteigernd" erfahren werden. Pseudokultur.

In solchen Verhältnissen können Studien wie PISA keinen rechten Sinn machen, sondern nur unrechten. In anderen Verhältnissen gäbe es gar nicht solche Studien mit solch falscher Funktion! Das gehört zum System. Nicht einmal jene Neuerungen, die eigentlich keine wären, sind derzeit in Österreich möglich, weil die eine Partei noch konservativer und verstockter ist, als die andere. Gesamtschule wird verteufelt als ideologische Familienschwächung, Religion wird hochgepriesen und dort, wo die Schwächung unübersehbar wurde, ein Ethikunterricht gefordert. Soweit das Latein des Pater Willi und seiner konservativen Crew. Doch die Roten haben nichts Substanzielles entgegenzusetzen, sind selbst konservativ, borniert und begnügen sich mit Anbiederei. Es geht zu wie bei Zuhältern.

Eigentlich beleidigt das Gerede von Bildung, wenn es zum Geschwätz wird, insbesondere von solchen Leuten. Dass es dennoch die Scheindebatte bestimmt, dass keine echte Debatte entsteht, beweist die Macht der herrschenden Verhältnisse, das heisst der Ungebildeten, die die Unbildung weiter zementieren und in Nischen pseudoelitär Halbbildung als Hochbildung fördern.