A Bigger Splash

Rocksängerin Marianne und ihr Freund wollen sich auf der italienischen Insel Pantelleria erholen, doch als Mariannes Ex-Geliebter eintrifft, beginnen die Leidenschaften zu brodeln. - Tilda Swinton und Ralph Fiennes brillieren in Luca Guadagninos visuell brillantem Remake des Romy Schneider/Alain Delon Klassikers "Der Swimmingpool", dennoch stellen sich Längen ein.
2009 gelang Luca Guadagnino mit dem opernhaft überhöhten Melodram "I am Love" ein Meisterwerk. Durchleuchtete der Italiener dort das Beziehungsgefüge einer Mailänder Industriellenfamilie im Stile der Filme Luchino Viscontis, so fokussiert er in seinem neuen Film auf dem Begehren und den Sehnsüchten innerhalb eines Künstlerquartetts, das sich auf die italienische Insel Pantelleria zurückgezogen hat.
Die Handlung folgt ziemlich genau Jacques Derays 1969 gedrehtem "Der Swimmingpool", doch der Mord und dessen Klärung, die dort im Mittelpunkt standen, interessiert Guadagnino kaum. Dafür bringt er einerseits mit dem David Hockneys Gemälde "A Bigger Splash" (1967) entliehenen Titel, andererseits mit der Verlegung der Handlung vom südfranzösischen Saint-Tropez auf das zwischen Sizilien und Tunesien gelegene Pantelleria einen anderen, brandaktuellen Aspekt ins Spiel.
Gegensätze prallen aufeinander, wenn auf eine kurze Szene vom Auftritt des Rockstars Marianne (Tilda Swinton) in einem brodelnden Fußballstadion mit einem Schnitt der Sprung auf die ruhige Insel folgt: Da steht nicht nur der Masse die Zweisamkeit am Pool gegenüber, sondern auch der wummernden Rockmusik die Stille. Nach einer Operation an der Kehle darf Marianne nämlich nicht sprechen, ihr Partner, der Dokumentarfilmer und Kameramann Paul (Mathias Schoenaerts) muss alle Anrufe für sie entgegennehmen. Auch er ist aber angeschlagen, versucht nach einem Selbstmordversuch und einer Entziehungskur sich auf der Insel zu erholen.
Bald wird ihre Ruhe aber gestört, denn Mariannes Ex-Geliebter Harry (Ralph Fiennes) kündigt sich als Gast an. Der Musikproduzent, der einst auch Marianne mit Paul bekannt machte, taucht aber nicht allein auf, sondern mit seiner Lolita-haften Tochter Penelope (Dakota Johnson), die alle zunächst für seine neue Freundin halten und die miteinander auch sehr intim umgehen. Rasch übernimmt Harry in der Vierergruppe das Kommando und versucht auch – oder vielmehr vor allem – Marianne zurückzuerobern.
Weitere Gegensätze baut Guadagnino auf, wenn er dem stets redenden und ständig aktiven Harry den zurückhaltenden Paul und die aufgrund ihrer Operation zum Schweigen verurteilte Marianne gegenüberstellt. In mehreren kurzen Rückblenden erhält man nicht nur Einblick in entscheidende Momente ihrer Beziehung, sondern wird auch ihre frühere Vitalität und Dynamik mit der Lethargie der Gegenwart kontrastiert.
Nur Harry ist scheinbar ganz der Alte geblieben, kann keine Sekunde ruhig sitzen, legt ständig neue Platten auf und bietet - die schönste Szene des Films - zu "Emotional Rescue" von den Rolling Stones eine fulminante Tanzszene. Großartig ist der sonst eher kontrolliert spielende Ralph Fiennes in der Rolle dieses extrovertierten Selbstdarstellers, der kein Maß und keine Grenzen kennt.
Ein starker Kontrast ist sein Spiel auch zu dem der sonst selbst oft dominant agierenden Swinton, die hier aber hervorragend die durch die Operation auferzwungene Zurückhaltung Mariannes vermittelt. So ungewöhnlich wie Fiennes und Swinton ist aber auch Mathias Schoenaerts besetzt, der hier ganz im Gegensatz zu seinen Rollen in Michaël R. Roskams "Bullhead" oder Jacques Audiards "De rouille et d´os" nicht aktiv und körperbetont, sondern zurückhaltend spielt.
Kontrapunkt zu diesem alternden Trio mit seiner Lebensgeschichte ist wiederum Penelope (Dakota Johnson), in der man die Vertreterin einer jungen Generation von heute sehen kann, die wenig Interesse am anderen zeigt, vor allem in Ruhe gelassen werden und Spaß haben will.
Eindrücklich evoziert Guadagnino in dem lichtdurchfluteten sommerlichen Ambiente mit zahlreichen Detailaufnahmen der Körper, aber auch mit einem vielfältigen sich bei Rock und Klassik bedienenden Soundtrack in diesem sehr sinnlichen Film das Aufflackern der Leidenschaften, arbeitet mit Metaphern wie der Ankündigung eines Sturms oder der Regenstimmung am Ende, doch ist die Inszenierung letztlich zu wenig konzentriert, als dass die Spannung durchgehend hochgehalten werden könnte.
Gut gemeint ist sicher auch die Verknüpfung dieses privaten Beziehungsgeflechts mit der brandaktuellen Flüchtlingskrise, wenn die Protagonisten mit Fortdauer des Films zunehmend öfter auf der Insel gestrandeten Flüchtlingen begegnen. Doch die Botschaft, dass die Probleme der Bewohner der Villa angesichts dieses "bigger splash" banal sind, wirkt doch ziemlich aufgesetzt.
Läuft derzeit im Cineplexx Hohenems
Trailer zu "A Bigger Splash"
Die Meinung von Gastautoren muss nicht mit der Meinung der Redaktion übereinstimmen. (red)