Beste aller Frauen

Bis zum 18. November 2007 setzt sich das Jüdische Museum Wien mit der Rolle der jüdischen Frau im religiösen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Kontext im Rahmen einer umfassenden Ausstellung auseinander. Dabei soll gezeigt werden, wie der weibliche bzw. der männliche Blick oft zu völlig unterschiedlichen Wahrnehmungen von Geschichtsbildern führt.

Ein zentrales Objekt und zugleich auch Namensgeber der Ausstellung ist der Toravorhang (Parochet), den Zwi Hirsch Todesco im Jahr 1833 anlässlich der Vermählung seiner Tochter Manina dem Wiener Stadttempel gestiftet hat. In der Widmungsinschrift bedenkt er neben seinen Schwiegereltern und seinem Schwager im Besonderen seine Frau Fanny, der er in einer Standardformel als »Beste aller Frauen« huldigt. Textilien stehen seit jeher für die weibliche Sphäre innerhalb der bürgerlichen Welt. Toratextilien wurden oft von Frauen selbst gefertigt oder wie im Fall des Toravorhangs der Familie Todesco aus dem Hochzeitskleid der Tochter hergestellt. Andererseits stellte gerade die professionelle Ausbildung im textilen Gewerbe eine der ersten Möglichkeiten für Frauen dar, wirtschaftliche Unabhängigkeit zu erlangen.

Weibliche Wohltätigkeit, wie sie von den Frauen der Wiener jüdischen Bourgeoisie ab der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts organisiert wurde, stand am Anfang einer konsequenten Weiterentwicklung, die letztlich zum Aufbau eines modernen Sozialstaates, aber auch zum Bildungszugang für Frauen führte. Dass dieser Weg nicht immer leicht war, zeigt das Bespiel der Bertha Pappenheim: Sie ging als viel besprochene hysterische Patientin »Anna O.« in die Geschichte der Psychoanalyse ein. Weniger bekannt ist die Tatsache, dass Bertha Pappenheim nach ihrer Genesung als bedeutende Sozialarbeiterin und Feministin tätig war. Sie wagte sich an Tabuthemen wie Prostitution und Mädchenhandel heran, unter deren Opfern um die Jahrhundertwende viele arme jüdische Mädchen aus Osteuropa waren. In ihrem Heim in Neu Isenburg bot Bertha Pappenheim den so genannten »gefallenen Mädchen« und ihren Kindern Zuflucht und ermöglichte ihnen eine Berufsausbildung und die Rückkehr in eine bürgerliche Existenz.

Ein aktuelles Thema ist das Bestreben von orthodoxen und nichtorthodoxen Frauen eine Neudefinition ihrer Aufgaben im religiösen Bereich zu erwirken. 1936 wurde in Deutschland mit Regina Jonas erstmals eine Frau zur Rabbinerin ernannt. Seither haben vor allem liberale und konservative Gemeinden in den USA Frauen als Rabbinerinnen akzeptiert. Engagierte HistorikerInnen haben jedoch herausgefunden, dass es im Laufe der Geschichte immer wieder Frauen gegeben hat, die die Grenzen der von den Männern vorgegebenen weiblichen Sphäre übertreten haben. Was wäre die Geschichte des Chassidismus ohne die Jungfrau von Ludomir, die als weibliche »Zaddekes« eine Anhängerschaft um sich scharte und im Ruf einer großen Gelehrten stand? Wer weiß, dass das Anlegen von Tefillin nicht eine feministische Mode im ausgehenden zwanzigsten Jahrhundert darstellt, sondern dass es im Laufe der Geschichte immer wieder Frauen gab, die Tefillin trugen, so zum Beispiel Brune aus Mainz im 14. Jahrhundert oder auch die als sehr gebildet geltenden Töchter Raschis.

Diese thematischen Längsschnitte sind Beispiele für die Aufarbeitung aller wesentlichen Aspekte des Rollenverständnisses jüdischer Frauen und sollen dem Publikum Zugänge zu bisher verborgener Frauengeschichte ermöglichen. Kuratorinnen sind Gabriele Kohlbauer-Fritz und Wiebke Krohn.


Zur Ausstellung erscheint ein reich illustrierter Katalog im Eigenverlag des Museums mit Beiträgen von zahlreichen FachautorInnen.

Beste aller Frauen
Weibliche Dimensionen im Judentum
16. Mai bis 18. November 2007