Seit 2002 wird im Historischen Museum an der Dauerausstellung zur Geschichte Berns von der Steinzeit bis zur Gegenwart gearbeitet. Als letztes Mosaikstück steht das 19. und 20. Jahrhundert bevor. Dieses wird nun vom 1. Mai 2007 bis zum 6. Januar 2008 in erweiterter Form zuerst als Sonderausstellung präsentiert.
Auf 1250 m² ermöglicht die Ausstellung eine zweifache Sicht auf die Geschichte Berns: In einem ersten Saal wird die Ablösung der Aristokratie durch das Bürgertum und die Verfassungsgeschichte des Schweizer Bundesstaats im 19. Jahrhundert thematisiert. Im zweiten Teil rückt ein «Berner Pionierfries» die Menschen in den Mittelpunkt und stellt über 100 herausragende Berner Leistungen vor.
Ausgangspunkt der Zeitreise ist das Ende des Ancien Régime von 1798. Wie schon bei der erfolgreichen Einstein-Ausstellung setzt das Ausstellungsteam mit Direktor Peter Jezler (Gesamtregie), Anne Schmidt (Historische Aufarbeitung) und Raphaël Barbier (Szenographie) auf den Einsatz neuer Präsentationsformen: Durch die Kombination von Objekten, Dokumenten, Filmen, Computeranimationen und Audiostationen werden wechselnde Stimmungsräume erzeugt. Mittels Animationsfilmen erschliessen sich dem Besucher zum Beispiel die Verfassungskämpfe im 19. Jahrhundert, welche 1848 in den Schweizer Bundesstaat münden und die Schweiz zum demokratischsten Staat Europas machen. Anschaulich dokumentiert sind auch die prägenden Momente des 20. Jahrhunderts, die Auswirkungen des Ersten Weltkrieges und der Weltwirtschaftskrise, die Lage der Schweiz im 2. Weltkrieg oder die Einführung des Frauenstimmrechts.
Grosse Persönlichkeiten, wichtige Ereignisse und bahnbrechende Entwicklungen – im zweiten Teil der Ausstellung werden über 100 Berner Pioniertaten von 1899 bis 2007 dokumentiert. Hier begegnen die Ausstellungsbesucher nicht nur Berner Weltmarken wie Toblerone, Omega oder Swatch. Hier erfährt man auch, welche wegweisenden Innovationen in Bern entwickelt wurden, welche sozialen oder kulturellen Impulse von Bern ausgingen, oder wie von Bern aus Meilensteine in Politik und Sport, in Design und Architektur gesetzt wurden. Rund 300 Originalobjekte, Dokumente und Filme aus Archiven und Privatsammlungen dokumentieren die Berner Pionierleistungen. Sie erlauben spannende Entdeckungen und amüsante Erinnerungen. Und sie widerspiegeln die Geschichte Berns sowie die Entwicklung von Wirtschaft, Umwelt und Gesellschaft.
Viele weltbekannte Produkte stammen aus dem Kanton Bern. Welche zündende Idee, wie viele Zufälle, was für Persönlichkeiten stehen hinter diesen Marken? Was hat zum Beispiel der zweite Weltkrieg mit der Nuss im Ragusa zu tun? Oder wie kam ein Schreiner in Thun darauf, den Robidog zu erfinden? Dies und vieles mehr gilt es zu entdecken.
Auch hervorragende Ingenieur- und Forschungsleistungen werden illustriert: Zum Beispiel die genial konstruierten Brücken von Robert Maillart oder das vom Bieler Arzt Roland Kuhn 1957 in Zusammenarbeit mit der J.R. Geigy AG entwickelte erste Antidepressivum. Bern darf sich sogar rühmen, bei der ersten Mondlandung 1969 gleich mit zwei Produkten dabei gewesen zu sein: Noch vor der amerikanischen Flagge haben die Astronauten der Apollo 11 auf dem Mond das an der Universität Bern entwickelte «Sonnenwindsegel» aufgestellt. Am Arm trugen die drei Astronauten eine Omega-Uhr.
Die Welt des Designs und der Gestaltung wurde ebenfalls durch Berner Pioniere mitgeprägt. So stammt die Typographie für die Signalisation im Pariser Flughafen – eines der wegweisenden Signaletik-Systeme der Welt – vom Berner Typographen Adrian Frutiger. Hier zu nennen ist auch Johannes Itten, der das Bauhaus massgeblich prägte und dessen Farbenlehre noch heute gelehrt wird – und natürlich der in Münchenbuchsee geboren Paul Klee. Auch das von Paul Schärer und Fritz Haller für das Berner Unternehmen USM entwickelte modulare Möbelbausystem gehört heute wohl zu den weltweit erfolgreichsten Designklassikern.
Weltstar Lilo Pulver, Clown-Legende Grock, Sportgrössen wie Boxchampion Fritz Chervet, OL-Läuferin Simone Niggli-Luder und Motorradweltmeister Tom Lüthi – sie alle haben dazu beigetragen, Bern in der Welt bekannt zu machen. Präsentiert wird auch Polo Hofer’s Goldene Schallplatte, die sein Hit «Kiosk» einbrachte, oder das Originaltyposkript von Mani Matter’s «Zündhölzli», versehen mit seinen handschriftlichen Korrekturen.
Von der Gründung des Bunds Schweizerischer Frauenvereine durch die Patriziertochter Helene von Mülinen im Jahr 1900 über die Wahl Henri Guisans 1939 zum General der Schweizer Armee bis zum Kampf der Schweizer Frauen für die Wahl von Ruth Dreifuss in den Bundesrat 1993 – Bern war immer auch wichtiger Schauplatz politischer Ereignisse.
Wer sich in die einzelnen Pionier-Geschichten vertiefen möchte, kann im reichbebilderten Begleitbuch zur Ausstellung weiterlesen. Es fasst die über 100 Berner Pionierleistungen auf 300 Seiten zusammen. Der Band erscheint im Sommer 2007 in deutsch, französisch und englisch und ist exklusiv im Historischen Museum zum Preis von 35 Franken erhältlich.
Jungfrau, Hofer und Ragusa – Berns Weg in die Moderne
1. Mai 2007 bis 6. Januar 2008