Bernard Schultze - Gegenwelten

Mit der Ausstellung "Bernard Schultze - Gegenwelten" ehrt das MKM eine außergewöhnliche Künstlerpersönlichkeit und zeigt nach 18 Jahren erstmals wieder eine große Bernard Schultze-Retrospektive in Nordrhein-Westfalen. Bernard Schultze (1915-2005) ist einer der wichtigsten Vertreter der deutschen Nachkriegs-Avantgarde und zählt zu den Vätern der informellen Kunst.

Gezeigt werden rund 80 Gemälde, Zeichnungen, "Migof"-Objekte und Rauminstallationen aus fast 60 Jahren intensiven künstlerischen Schaffens. Schlüsselwerke aus vielen Museen und privaten Sammlungen ergänzen eine Auswahl zentraler Arbeiten Bernard Schultzes aus der im MKM beheimateten Sammlung Ströher.

Die Werkschau stellt nicht nur die ganze Breite eines gattungsübergreifenden OEuvres vor, sondern verdeutlicht vor allem auch die Vielfalt der gedanklichen Welten, in denen sich Bernard Schultze bewegte. Nach den figurativen Gemälden der 1940er Jahre fand Schultze mit seinen informellen Werken den internationalen Anschluss an Action Painting und Tachismus. Aus diesen Anfängen entwickelte der Künstler einen höchst individuellen, lyrisch anmutenden Stil. Seine farbintensiven und akribisch geschaffenen Arbeiten thematisieren Wachstum und Verfall, versinnbildlichen Weltgefüge und Naturprozesse. In sieben Räumen laden Werke aus allen Schaffensphasen zu einer visuellen Reise durch malerische Abenteuer und die "Gegenwelten" des Bernard Schultze ein.

Ausgehend von drei der wenigen erhaltenen, figurativ-surrealen Gemälden, darunter das Portrait "Sonja" (1945/46), führt die Ausstellung direkt in die informelle Bilderwelt Bernard Schultzes aus den 1950er Jahren. Das Informel bedeutete eine Befreiung der Farbe von der Form, vom konzeptionellen, kompositionsbestimmten Schaffen. Mit der Gründung der Künstlergruppe Quadriga im Jahr 1952 durch K.O. Götz, Bernard Schultze, Otto Greis und Heinz Kreutz stieg auch die internationale Bekanntheit der vier Künstler. Bereits gegen Ende dieser Dekade zeigte sich, dass Schultze die zweidimensionale Bildfläche nicht mehr ausreichte. Seine Malerei drängte in den Raum. Reliefs wie "Oktsis" (1958) und "lynth" (1960) belegen dies eindrucksvoll und lassen die Geburt von Bernard Schultzes berühmten "Migofs" Anfang der 1960er Jahre vorausahnen. Mit diesen phantastischen, teils bizarren Übergangswesen zwischen Kunst, Natur und Mensch überführte der Künstler seine Malerei in die dritte Dimension.

Den "Migofs" begegnet man in verschiedenen Ausstellungsräumen, die jeweils unterschiedlichen Schwerpunkten gewidmet sind. So zeigen die großformatigen, farbenprächtigen Leinwandarbeiten aus den 1980er Jahren die kosmischen Weiten von Bernard Schultzes "Gegenwelten", z.B. "E.T.A. Hoffmanns Eskapaden" (1988), das als Schultzes größtes Gemälde ein besonderes Highlight der Ausstellung ist. Zusammen mit einer Reihe beeindruckender Grisaille-Arbeiten entwickeln Schultzes seltene Bronze-"Migofs" eine ganz andere Wirkung – eine des ruhigen In-Sich-Gekehrt-Seins, der inneren Versenkung und Kontemplation. Zu den weiteren Hauptwerken der Retrospektive zählen schließlich zwei Environments: Die große "Migof-Gruppe", "Verdorrt" und von den "Wäldern verschlungen" (1970-76) ist eine gesellschafts- und konsumkritische, äußerst beklemmende Szene der Zerstörung und Verwesung. Wie auch bei der großen Wand-Raum-Installation "Migof-Picknick" (1969) geht der Verfall aber immer einher mit neuem Werden und Wachsen.

Vervollständigt wird die Werkschau durch exemplarische Tabuskris, Zungen-Collagen und einige großformatige Papierarbeiten, die das außerordentliche zeichnerische Können Bernard Schultzes offenbaren. Weiterhin trifft man nach Arbeiten aus den letzten beiden Schaffensjahrzehnten am Ende des Ausstellungsrundgangs auf eine dokumentarische Fotowand mit ca. 25 biografischen Fotos aus dem Leben und der Arbeit des Künstlers.

Bernard Schultze hat äußerst kreativ als Maler, Zeichner, Plastiker, Bühnenbildner und auch als Dichter gewirkt und ein vielseitiges, umfassendes künstlerisches OEuvre hinterlassen. Auch im Dauerausstellungsbereich des Museums wird Bernard Schultze in einem eigenen Raum als Künstler präsentiert, der seine eigenständige Position in der Kunstgeschichte und unter den Künstlern seiner Zeit bis heute behauptet.

Bernhard Schultze - Gegenwelten
19. Oktober 2012 bis 20. Januar 2013