Bekannter Star, fast vergessene Regisseurin: Ida Lupino

16. Mai 2016 Walter Gasperi
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An der Seite von Humphrey Bogart in Raoul Walshs "They Drive by Night" und "High Sierra" wurde Ida Lupino berühmt. Doch der zentrale Beitrag der gebürtigen Britin zur Filmgeschichte sind die sechs Filme, bei denen sie zwischen 1949 und 1953 Regie führte. Das Filmpodium Zürich widmet dieser Außenseiterin eine Retrospektive.

Als Schauspielerinnen waren Frauen im klassischen Hollywoodkino geschätzt, auch als Drehbuchautorinnen und Cutterinnen waren sie gefragt, doch auf dem Regiestuhl durften sie kaum einmal Platz nehmen. Hatten und haben es Frauen weltweit in der von Männer dominierten Branche schon schwer, so hatten sie es im Studiosystem Hollywoods noch schwerer. Wenig verwunderlich ist folglich auch, dass erstmals 2010 mit Kathryn Bigelow für "The Hurt Locker" eine Frau mit einem Oscar für die beste Regie ausgezeichnet wurde.

Nach den Stummfilmpionieren Alice Guy und Lois Weber und in den 1930er Jahren Dorothy Arzner war die 1918 in London in eine Schauspielerfamilie geborene Ida Lupino erst die vierte Regisseurin, die in Hollywood den Sprung auf den Regiestuhl schaffte, die Basis dafür war aber wiederum ihr Starruhm.

Bald nach ihrer ersten Filmrolle in Allan Dwans "Her First Affair" (1933) übersiedelte sie als 15-Jährige 1933 von England nach Hollywood und schaffte sieben Jahre später an der Seite von Humphrey Bogart in Raoul Walshs "They Drive by Night" (1940) und "High Sierra" (1941) den großen Durchbruch.

Mit ihren starken und oft auch harten und skrupellosen Frauenfiguren wurde sie, die sich selbst als "poor man´s Bette Davis" bezeichnete, zur Vorläuferin der ungleich berühmteren Lauren Bacall. Am Set aber langweilte sie sich oft, sodass sie die Zeit nutzte, ihre Regisseure bei der Arbeit zu studieren. Lernen konnte sie da einiges, denn immerhin spielte sie nicht nur unter Walsh, sondern auch unter Charles Vidor, Michael Curtiz oder Delmer Daves.

Der Wechsel hinter die Kamera gelang ihr aber erst, als 1948 der Oberste Gerichtshof der USA aufgrund der Anti-Trust-Gesetzgebung die großen Studios zwang, ihre Kinoketten abzugeben und somit das Entstehen unabhängiger kleiner Produktionsfirmen begünstigte.

So gründete auch Lupino 1948 mit ihrem damaligen Ehemann, dem Produzenten Collier Lang, und dem Produzenten und Drehbuchautor Anson Bond die Produktionsfirma Emerald Productions, die ein Jahr später in "The Filmakers" (mit einem m!) umbenannt wurde.

Hier sollte sie zunächst als Produzentin und Drehbuchautorin fungieren, doch als der Stummfilmveteran Elmer Clifton, der als Regisseur der ersten Filmakers-Produktion "Not Wanted" (1949) engagiert worden war, einen Herzinfarkt bekam, sprang Lupino ein. Mit der Geschichte einer jungen Frau, die durch eine uneheliche Schwangerschaft ins gesellschaftliche Abseits gerät, fand sie schon ein Thema und einen Stil, die auch ihre folgenden Filme kennzeichneten.

Immer wieder rückte Lupino Menschen im Abseits in den Mittelpunkt und schuf mit Schwarzweißfotografie und expressiver Lichtsetzung mit starken Hell-Dunkel-Kontrasten eine Film noir-Atmosphäre. Sie ging auch – wohl beeinflusst vom italienischen Neorealismus – aus den Studios raus und drehte auf den Straßen von Los Angeles, in der kalifornischen Wüste, in einem Rehabilitationszentrum. - Keine Hochglanzproduktionen sind das, sondern um kaum mehr als 200.000 Dollar billig in zwei Wochen gedrehte B-Filme.

Wurde bei "Not Wanted" in den Credits noch Clifton als Regisseur geführt und Lupino "nur" als Drehbuchautorin, so bekam sie bei den folgenden fünf Filmen für "The Filmakers" auch den Credit als Regisseurin. Selbst als Kind an Polio erkrankt, arbeitete sie in "Never Fear" (1949), in dem sie von einer jungen Tänzerin erzählt, die gegen diese heimtückische Krankheit kämpft, eigene Erfahrungen auf, während sie in "Outrage" (1950) mit der Vergewaltigung einer jungen Frau ein Thema aufgriff, das im damaligen Hollywood Tabu war.

Lupino schont dabei den Zuschauer nicht, mutet ihm einerseits in "Never Fear" harte Physiotherapie-Szenen zu, verleiht andererseits der zermürbend langen Sequenz des sexuellen Übergriffs in "Outrage" durch die Wahl eines verlassenen nächtlichen Fabriksgeländes als Schauplatz und den Verzicht auf musikalische Begleitung eine albtraumhafte Wirkung, auch wenn – oder vielleicht gerade weil – die Vergewaltigung an sich dann ausgeblendet wird.

Erfolgreich ist dagegen zwar die junge Tennisspielerin in "Hard, Fast and Beautiful" ((1951), doch auch hier erzählt Lupino keine Erfolgsgeschichte, sondern zeichnet den jungen Star vielmehr als Opfer der erfolgsorientierten Mutter, die über das Leben ihrer Tochter bestimmt.

Im Gegensatz zu diesen von Lupinos weiblichem Blick und der Empathie für ihre Protagonistinnen bestimmten Filmen, steht im Mittelpunkt von "The Bigamist" (1953) ein schwacher Mann, der zwischen zwei Frauen steht. Dies ist nicht nur die einzige von Lupinos Regiearbeiten, in der sie auch selbst eine Hauptrolle spielt, sondern weist auch frappante Parallelen zu ihrer Biografie auf. Denn an ihrer Seite spielt Joan Fontaine, die während der Dreharbeiten mit Collier Young verheiratet war, der wiederum zuvor Lupinos Ehemann war.

Dass Lupino, die sich als Regisseurin als "poor man´s Don Siegel" bezeichnete, auch ganz anders kann, bewies sie im gleichen Jahr mit dem auf einer wahren Geschichte beruhenden "The Hitch–Hiker": Frauen bleiben hier außen vor, ganz auf zwei Autofahrer, die von einem Auto stoppenden Serienkiller terrorisiert werden, konzentriert sich der finstere Thriller.

Als "The Filmakers" 1955 die Produktion einstellte, gründete Lupino zwar mit anderen Partner eine Produktionsgesellschaft für Fernsehfilme und –serien, doch ihre späteren Filme konnten mit ihren sechs zwischen 1949 und 1953 entstandenen Arbeiten nicht mithalten.

Ihre letzte Regiearbeit legte sie 1966 mit der in einer katholischen Schule spielenden Komödie "The Trouble With Angels" vor, während sie als Schauspielerin in den 1970er Jahren noch zwei Gastrollen in der Krimiserie "Columbo" übernahm, aber auch 1972 eine zentrale Rolle in Sam Peckinpahs "Junior Bonner" spielte. Nach einem Schlaganfall starb Lupino, die seit 1948 amerikanische Staatsbürgerin war, am 3. August 1995 in Los Angeles.

Quellen:
Nayman, Adam, Authentisch radikal, in: Viennale 2015, S. 316 – 319

Buss, Esther, Regisseurin Ida Lupino: Figuren im Abseits, in: Der Standard, 21.10. 2015 http://derstandard.at/2000024269894/Regisseurin-Ida-Lupino-Figuren-im-Ab... (Zugriff am: 29.4. 2016)

Girod, Martin, Ida Lupino: Star und Regisseurin – Ausbrüche aus der Passivität, Filmpodium Zürich, 2016

Wikipedia: Ida Lupino https://de.wikipedia.org/wiki/Ida_Lupino (Zugriff am: 29.4. 2016)

Tribute to Ida Lupino