Beef – ein außergewöhnliches Tanz-Konzert

Zeitgenössischer Tanz vom Besten. Die Wienpremiere im neu eröffneten Imperial Riding School Hotel von Rebecca Horner und Andrey Kaydanovskiys erstaunlichem Tanztheater hat tief bewegt. Der Titel „Beef“ stammt aus dem Hip-Hop Jargon und ist mit Stierhörnern und Aggression assoziiert, mit einem Aufeinander-losgehen. „Ein ‚Beef‘ ist das Verlangen nach Aufmerksamkeit. Es ist ein Spiel der Emotionen, das beim Verlassen des Spielplatzes kein Nachspiel hat“, ein tänzerischer Kampf, eine Dynamik aus Eifersucht und Begehren, aus Machtstreben und Nachgeben.

Aufgegriffen wurde das biblische Eifersuchtsdrama „Kain und Abel“, uraufgeführt als Auftragswerk der Nova Fundaziun Origen beim alljährlichen Origen-Tanzfestival auf der Burg Riom in Graubünden. Die Choreographie stammt von Andrey Kaydanovskiy, der mit seiner Frau Rebecca Horner – beide im Ensemble des Wiener Staatsopernballetts – und Mila Schmidt sowie Robert Weithas zur Live Music von RaaDie – das sind Christof Dienz mit E-Zither und Electonics und Lorenz Raab an der Trompete – „Beef“ auch selbst tanzt.

Das Setting ist reduziert auf die helle Fläche des Tanzbodens, an drei Seiten und ganz nah angeordnet, nur jeweils zwei Stuhlreihen, etwas höher gesetzt, die Ebene mit dem musikalischen Duo. Einzeln schreiten die Vier in den Raum, setzen sich mit dem Rücken zum Publikum auf den Boden und legen ihre Maske in weißer Schminke auf. Diese wird im Laufe des intensiven Spiels immer wieder im Spiegel der Emotionen verändert. Anziehung, Abstoßung, die Figuren geraten in-, aneinander, eine überrollt die andere, wehrt ab, aggressiv, gewaltsam, vorsichtig, bis einer der Vier (Kaydanovskiy) schlussendlich – mit nachgebesserter Gesichtsschminke – zum Monster wird, sich verkrampft, um aus seiner Emotionsspirale nur noch durch die Bemühungen und Sanftheit der anderen befreit zu werden. Das könnte ein gutes, friedliches Ende bedeuten, in Zugewandtheit und Sorgetragen.

Im zweiten Teil des Abends bittet Barbara Stöckl Rebecca Horner, den Choreografen und den Komponisten Christof Dienz zum Gespräch. Sehr aufschlussreich! Rebecca Horner berichtet über die emotionale Reise, bei der niemand weiß, in welchem Zustand herauszukommen ist, mal „empfindlicher, verwundbarer, resilienter“, doch am Ende bleibt alles in diesem unsichtbar begrenzten Aktionsraum, es ist geschehen. Rebecca Horner trat im gediegenen Ambiente des Imperial Riding School Hotel zur Eröffnung 2024 schon als „moderne Kaiserin“ auf und interpretierte die reichhaltige Geschichte dieses Hauses. Für sie ist der zeitgenössische Tanz ein adäquates Mittel dies in heutiger Sprache zu tun. Die Grenzen des klassischen Balletts werden gesprengt, die Bewegungen bleiben frei, man kann sich in allen Dimensionen ausdrücken. 

Dazu liefert die Musik einen mehrteiligen, zeitgenössischen, bildhaften Klangraum. „Es gab ja nichts Fertiges“, sagt Andrey Kaydanovskiy, und er fand in Christof Dienz den kongenialen Partner das Gesamtkunstwerk zu entwickeln. Auf weitere Tanzprojekte, die das Ehepaar Horner / Kaydanovskiy verwirklichen wollen, darf man gespannt sein: „Der Tanz ist eine universelle Sprache, die keine Übersetzung braucht. Unsere Vision ist es, gegenwärtige Künstler aus unterschiedlichen Bereichen wie Musik, Malerei, Mode, etc. zusammenzubringen und in unterschiedlichen Konstellationen im Kollektiv neue Arbeiten entstehen zu lassen“.

Beef Tanzkonzert
Andrey Kaydanovskiy  / Rebecca Horner
Choreografie: Andrey Kaydanovskiy
Musik: RaaDie – Christof Dienz, Lorenz Raab
Tänzer:innen: Rebecca Horner, Andrey Kaydanovskiy Mila Schmidt, Robert Weithas
Imperial Riding School Hotel, Autograph Collection, Wien