Bauen und Zeigen

Die Ausstellung "Bauen und Zeigen" stellt – ausnahmsweise – nicht die Kunst ins Zentrum, sondern das Museum selbst: als Bauwerk mit seiner langen und reichen Entstehungsgeschichte, als Ort des Zusammenspiels von Räumen, Werken, Dingen und Menschen. Unter dem Stichwort "Bauen" visualisiert die Ausstellung wichtige Stationen der Entstehungsgeschichte der Vierflügelanlage an der Hans-Thoma-Straße – von der Zeichenakademie der 1780er Jahre über den ersten Gebäudetrakt von Heinrich Hübsch, entstanden 1837-1846, und die Erweiterungsmaßnahmen des ausgehenden 19. und des frühen 20. Jahrhunderts von Josef Durm und Heinrich Amersbach bis zur Schließung der Vierflügelanlage durch Heinz Mohl in den 1980er Jahren.

Materialität und architektonische Formensprache artikulieren sich in der langen Entstehungsgeschichte des baulichen Gefüges in unterschiedlicher Weise. Die Ausstellung will für die Wahrnehmung der räumlichen Zusammenhänge, für die Strukturen der sichtbaren Oberflächen, für Fragen des Erhaltungszustands und der materiellen Veränderungen in der Kunsthalle sensibilisieren.

Das Kunstmuseum war zu Beginn des 19. Jahrhunderts die Bauaufgabe, bei der die Trias der Künste – Architektur, Malerei und Skulptur – programmatisch miteinander verbunden wurde. Der Karlsruher Baumeister Heinrich Hübsch sprach von der "Totalität" der Künste: Baukunst, Monumentalplastik, polychrome Wandgestaltung, figurative Wand- und Deckenmalereien, ornamentaler Schmuck, skulpturale Ausstattung und die Sammlung sollten in seinem Museumsbau zusammenfinden. "Bauen und Zeigen" will das Bewusstsein für den Kunstcharakter des Bauwerks schärfen und die Herausforderung seines baukünstlerischen Anspruchs zu vermitteln.

Hinter der realisierten Baugeschichte der Vierflügelanlage verbirgt sich die Geschichte der nicht gebauten Kunsthalle – also all jener Pläne und Initiativen, die nicht realisiert wurden, aber als Vision oder Option überlebt haben. Die Ausstellung befasst sich deshalb auch mit den Zerstörungen, Rückbauten und Überformungen von Gebäudeteilen.

Rund 200 Jahren Baugeschichte stehen ebenso viele Jahre des Bewahrens und Zeigens von Kunst gegenüber. Das "Zeigen" ist der genuine Auftrag des Museums. Es ereignet sich immer im Zusammenspiel von Räumen und Werken. Raumproportionen, die Beschaffenheit der Böden, die Lichtsituation, das Klima, die Geräusche im Raum, die Sicherheitsvorkehrungen und die Leitsysteme sind hier ebenso bedeutsam wie die Art der Hängung oder Aufstellung der Werke, der Sockel, Vitrinen und anderer Zeigemöbel sowie die Medien der Vermittlung.

Die Ausstellung fragt, wie die Beziehung zwischen Räumen, Kunstwerken und Betrachtern historisch gestaltet wurde und welche Voraussetzungen heute für das Zusammenspiel von Menschen mit Räumen, Werken und Dingen in der Kunsthalle bestehen. Das Museum ist auch ein großer Speicher, der alle Werke, die in seine Obhut gelangen, seinen musealen Ordnungssystemen unterwirft. "Bauen und Zeigen" gewährt Einblicke in verborgene Dimensionen des Museums, in seine Funktion als Archiv zur Bewahrung des kulturellen Erbes und zur Dokumentation, Verwaltung und Verbreitung musealen Wissens.

Der Rundgang beginnt bereits vor dem Betreten der Kunsthalle an den Außenfassaden der Hans-Thoma- und der Waldstraße und führt über den Innenhof durch alle vier Flügel und über drei Etagen zu 40 Stationen der Ausstellung. Die heterogenen Räume wurden dabei akzeptiert und nur durch sparsame Eingriffe verändert. Ein wichtiger Teilbereich der Ausstellung widmet sich der Kunsthalle in der Zeit des Nationalsozialismus. "Bauen und Zeigen" gibt mit historischen Plänen, Zeichnungen, Fotografien, Archivalien und Mobiliaren Einblicke in Geschichte und Gegenwart einer sich stetig wandelnden Institution. Das erste und wichtigste Exponat der Ausstellung ist deshalb die Kunsthalle selbst.


Bauen und Zeigen
Aus Geschichte und Gegenwart der Kunsthalle Karlsruhe
5. Juni bis 21. September 2014