Based on a true story

Cecily Brown (*1969 in London) gilt als eine der erfolgreichsten und überzeugendsten Vertreterinnen einer neuen expressiven Malerei. Die in New York lebende Malerin wurde in den letzten Jahren bekannt durch ihre ausdrucksstarken Bilder, die sich an den Grenzen von figurativer und abstrakter Malerei bewegen. Nach Cecily Browns Werkschau in den Hamburger Deichtorhallen im Sommer vergangenen Jahres zeigt die Kestnergesellschaft neue Arbeiten, die erstmals in einer institutionellen Ausstellung zu sehen sind.

Ihre Ölgemälde lösen Körper und Landschaften auf in eine Vielzahl von Pinselstrichen und Farben, die eine atmosphärische Dichte erzeugen. In den neueren, in der Kestnergesellschaft präsentierten Werken verselbstständigen sich die malerischen Mittel zunehmend. Brown sagt selbst, sie male Bilder, keine Motive – sie schaffe also eigenständige Bildräume, die auf sich selbst, auf ihre Gemachtheit verweisen. Farbe und Pinselstrich schaffen autonome Bildwelten, in denen sich immer wieder Andeutungen figurativer Elemente finden. Abstraktion und Figuration sind für Cecily Brown nicht zwei getrennte Welten, sondern miteinander verwobene Facetten der Malerei. Die Bilder der Hannoveraner Ausstellung verkörpern eben diese Pendelbewegung zwischen dem Erscheinen der Figur und dem Hervortreten der malerischen Mittel in der Abstraktion. Der Satz "Based on a True Story" leitet in der Regel Filme ein, die "auf einer wahren Geschichte" basieren. Als Ausstellungstitel wirft er hier die Frage auf, mit welchen Mitteln Geschichten erzählt werden und welche Geschichten in dem Betrachter aufsteigen, wenn er die Farben und Strukturen von Cecily Browns Gemälden ansieht. Was ist eigentlich eine "wahre" Geschichte?

Browns Werk ist fest verwurzelt in der europäischen Malertradition. Die detaillierten Höllendarstellungen von Hieronymus Bosch oder Edgar Degas’ klare Leichtigkeit begleiten ihren Schaffensprozess ebenso wie die stark auf den Körper fokussierte Malerei Francis Bacons oder Lucian Freuds. Neben diesen Quellen spielen auch Bilder aus der Alltagskultur eine große Rolle, etwa das Kinderbuch "Struwwelpeter" oder Fotos aus Zeitschriften. Zeitgenössische, massenhaft verbreitete Abbildungen stehen hier gleichwertig neben den Bildern alter Meister, denn Brown nimmt jedes Bild in seiner besonderen Wirkung wahr und arbeitet mit eben dieser Wahrnehmung. So erscheint ein Bezug zur Kunstgeschichte auch nicht als Rückwendung, sondern als eine Auseinandersetzung, die in der Gegenwart stattfindet, unter dem Einfluss und im Austausch mit schnelllebigen Medienbildern. Cecily Browns Bilder, gemalt mit teils kräftigem, weit ausgreifendem Duktus, teils vorsichtigen, punktuellen Berührungen der Leinwand, wirken aufwühlend. Ihre Kompositionen erkunden die Möglichkeiten der Malerei, loten sie immer tiefer aus. Die Gemälde werden getragen von einem dynamischen Malgestus, der den Fluss unserer Wahrnehmung, die Welt in Bewegung und damit das Vergehen von Zeit aufnimmt und widerspiegelt.

Arbeiten von Cecily Brown befinden sich unter anderem in den Sammlungen des Solomon R. Guggenheim Museum, New York, dem Whitney Museum of American Art, New York und der Tate Gallery, London. In internationalen Einzelausstellungen wurden Browns Bilder unter anderem in den Deichtorhallen, Hamburg (2009), im Museum of Fine Arts, Boston (2006-2007), Museum of Modern Art, Oxford (2005), Museo Nacional Centro de Arte Reina Sofia, Madrid (2004), MACRO, Rom (2003) und dem Hirshhorn Museum and Sculpture Garden, Washington, D.C. (2002), gezeigt.

Based on a true story

3. September bis 7. November 2010