Barbara Probst im CentrePasquArt

Barbara Probst (*1964, München, lebt in New York und München) stellt den traditionellen Gebrauch der Fotografie in Frage, bei welchem nur eine Perspektive und ein Eindruck der Realität wiedergegeben wird. In den fotografischen Reihen mit dem Titel "exposures", an denen sie seit 2000 arbeitet, präsentiert sie multiple Ansichten, in welchen sie das gleiche Sujet im exakt gleichen Moment auf ganz unterschiedliche Weise zeigt.

Probst verwendet dabei bis zu 13 synchronisierte Kameras, auf Stativen oder in den Händen von AssistentInnen, die durch eine Fernbedienung ausgelöst werden. Oft nützt sie die Sichtbarkeit der Ausrüstung aus, um den Akt der Fotografie selbst ins Bild zu integrieren.

Das Kunsthaus CentrePasquArt zeigt die erste institutionelle Ausstellung von Probsts Arbeiten in der Schweiz mit Werken, welche zwischen 2001 und 2012 entstanden sind. Von den früheren "exposures", die bereits das Konzept der Hierarchie zwischen Bildern in derselben Reihe negierten, bis zu den aktuellen Werken, die Innen- und Aussenansichten zusammenbringen, fährt die Künstlerin fort, das Sehen an sich zu erforschen sowie die Eigenheit der Fotografie, keine absolute Wahrheit zu erzählen, sondern die von der Kamera gesehene Realität zu zeigen.

Schon vor langer Zeit wurde das Vertrauen in die Fotografie als Beleg für die Wahrheit aufgegeben: ihre Künstlichkeit ist nahezu genau so ausgeprägt wie die, welche der Malerei zugrunde liegt. Nichtsdestotrotz haben fotografische Bilder für uns eine Autorität. In unserer Vorstellung sind sie Darstellungen, die vom Fotografen ausgewählt wurden, weil sie am repräsentativsten sind. Mit ihren "exposures" bricht Barbara Probst konsequent diese Tradition, indem sie bisher nicht berücksichtigte Aspekte eines Mediums erkundet, das – wie sie zeigt – alles andere als eindeutig ist.

In Probsts fotografischer Arbeit fällt die Verwendung von Bildreihen auf, die aus mindestens zwei und bis zu 13 Bildern bestehen können. Sie stellen das gleiche Sujet im exakt gleichen Moment, jedoch aus verschiedenen Perspektiven dar. Diese Strategie regt uns an, die Platzierung der Fotoapparate sowie die Beziehung zwischen den verschiedenen Ansichtspunkten zu lesen und nachzuvollziehen. Ausserdem fordert sie uns heraus, uns mit den konzeptuellen Prozessen, von denen die Künstlerin Gebrauch macht, auseinanderzusetzen.

Um diese multiplen Ansichten zu erzeugen, verwendet Probst einen Fernauslöser, der die synchronisierten Kameras gleichzeitig auslöst. Manchmal lösen die Protagonisten selbst die Kameras aus. Die unvermeidliche Sichtbarkeit der Geräte wird genutzt, um das Dokumentieren der Produktion, also den Akt des Fotografierens selbst, als Hauptkomponente in die Bilder zu integrieren. Gleichzeitig enthüllt Probsts Entscheidung, die verschiedenen Perspektiven mechanisch zu arrangieren, das grundlegende Verständnis der Künstlerin von Fotografie als Medium, welches nicht die absolute Wahrheit darlegt, sondern zeigt, wie die Kamera etwas „gesehen“ hat.

Dieser Aspekt in Probsts Arbeitsweise hebt auch die physische Natur des Fotografierens hervor. Obwohl ihre Gesichter versteckt sind hinter den Fotoapparaten, sehen wir Probst und ihre AssistentInnen in gebeugter Haltung, auf dem Boden liegend und über gefährliche Abgründe lehnend. Auch wenn einige dieser Stellungen vielleicht nötig waren, um den gewünschten Schuss einzufangen, sind sie doch sehr performativ und ihre Übertreibung unterstreicht das Theatralische der entstandenen Bilder.

Verbunden mit dieser Offenlegung des Prozesses und dem performativen Element ist die Art und Weise, wie Probst mit der Option von Schwarz-Weiss- und Farbfotografie umgeht. Sie stellt schwarz-weisse Aufnahmen und farbige Bilder desselben Moments nebeneinander und, obwohl wir genau wissen, dass diese gleichzeitig entstanden sind, prallen das "Altmodische" der ersteren und der eher zeitgenössische Anschein der letzteren aufeinander. Die subjektive Wahrnehmung der Bilder wird dadurch verstärkt.

Probsts Arbeit ist geprägt von einer Anzahl ebensolch bedeutender experimenteller Anordnungen. Während die verschiedenen Bilder einer Reihe genau denselben Sekundenbruchteil der Kameraöffnung repräsentieren, erlauben die verschiedenen Blickwinkel eines einzelnen Studios oder öffentlichen Platzes eine erstaunliche und potentiell grenzenlose Ausdehnung des Bildraumes. Gegenstände werden benutzt, um einen Kontext zu bilden oder, wie das in jüngeren Arbeiten der Fall ist, Gegenstände springen als Ersatz für die menschliche Figur ein. Sie spielen eine wichtige Rolle als Anhaltspunkte, indem sie uns helfen, die Grössenverhältnisse, Winkel sowie die räumlichen Beziehungen zwischen den Protagonisten zu interpretieren.

Die in dieser Ausstellung gezeigten Arbeiten veranschaulichen eindeutig die zunehmende Komplexität in Barbara Probsts Werk über das letzte Jahrzehnt hinweg. Während ihre Arbeit die Erfahrung widerspiegelt, wie wir die Welt wahrnehmen, setzt sie sich ebenso mit den spezifischen Qualitäten des gewählten Mediums auseinander. Tiefsinnig und spielerisch, herausfordernd und anregend, Probsts Beitrag ist ein bedeutender.

Die Ausstellung und die sie begleitende Publikation sind eine Kollaboration zwischen dem Kunsthaus CentrePasquArt, dem Zentrum für Fotografie in Kopenhagen und dem Rudolfinum in Prag.

Barbara Probst 
2. Februar bis 6. April 2014