5. Januar 2012 - 3:30 / Walter Gasperi / DVD Tipp
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Zwei Jahre vor dem legendären "The Third Man" inszenierte Carol Reed diesen Thriller über das langsame Sterben eines verwundeten irischen Freiheitskämpfers. Koch Media hat das 1947 gedrehte atmosphärisch dichte Meisterwerk, das mit Reeds ungleich bekannterem Kultfilm durchaus mithalten kann, im Rahmen der Film noir Collection auf DVD herausgebracht.

In einer großen Flugaufnahme nähert sich die Kamera über die Docks und den Rathausturm mit dominanter Uhr dem Zentrum einer Stadt, deren Name zwar nie genannt wird, mit der aber Belfast gemeint sein dürfte. An die Docks wird der Film am Ende zurückkehren, Uhren wird man immer wieder sehen oder aber das Schlagen von Turmuhren hören. Von Anfang an macht Reed damit klar, dass hier für jemanden die Zeit ablaufen wird, dass es kein Entkommen geben kann.

Schon bei den Vorbereitungen für einen Überfall auf die Kasse einer Fabrik, durch den Geld für die Widerstandsbewegung beschafft werden soll, kommen den Tätern Zweifel. Ihr Anführer Johnny McQueen (James Mason) ist eben aus dem Gefängnis geflohen und noch geschwächt. Das Angebot durch einen Freund ersetzt zu werden lehnt Johnny ab, doch schon bei der Fahrt zum Tatort, wird ihm schummrig vor den Augen. Prompt geht beim Überfall dann auch nicht alles nach Plan: Johnny bleibt angeschossen auf der Straße zurück und rettet sich in einen Luftschutzbunker.

Während er sich versteckt hält, beginnen Freunde und Polizei fieberhaft nach ihm zu suchen. In Parallelmontage entwickelt Reed die Handlung, der schrittweisen Verhaftung der Mittäter steht Johnnys Angst vor Entdeckung gegenüber. Bald macht sich auch die junge Kathleen (Kathleen Ryan), die Johnny heimlich liebt, auf die Suche. Der Verletzte aber wird immer schwächer, wird bald von zwei Frauen kurz aufgenommen, flüchtet dann in einer Droschke, landet auf einem Schrottplatz und schließlich in einer Kneipe, bis ihn Kathleen doch noch findet.

So fatalistisch wie im amerikanischen Film noir oder im Poetischen Realismus des Frankreich der Vorkriegszeit ist die Stimmung. Wie Marcel Carné in "Le quai des brumes" (1938) erzählt Reed von einer Liebe, die keine Chance hat. Hier geht aber die Frau mit dem Mann in den Tod, während die Schiffssirene nochmals den Traum von der möglichen Flucht andeutet – und auch das Gefühl des Scheiterns verstärkt.

Wie für Johnny die Lage immer aussichtsloser wird und Kreuzigungsposen seinen Leidensweg noch akzentuieren, entwickelt sich der Film vom Nachmittag in die verregnete und schließlich verschneite Nacht. Großartig fängt die Kamera von Robert Krasker die tristen Wohnbezirke und dunklen engen Gassen ein. Licht-Schattenspiele im Stile des deutschen Expressionismus fehlen nicht, werden aber nicht übermäßig strapaziert. Nicht selbstverliebt ist die Kameraarbeit, sondern dient der Evokation einer düsteren Atmosphäre. Große Dichte entwickelt "Ausgestoßen" in dieser Beschränkung auf wenige Stunden und der Konzentration der Handlung auf den langen, aber scheinbar geraden und unabwendbaren Weg in den Tod.

Die politische Ebene interessiert Reed nicht, er bezieht keine Stellung im Nordirlandkonflikt, sondern nützt diesen nur als Hintergrund für einen handfesten Thriller, in den er existentielle Fragen einbaut. Mit der Staatsmacht, der Gesellschaft und der Religion wird das Individuum konfrontiert und die Frage wird aufgeworfen, was denn vom Menschen nach dem Tod bleibt. Melodramatisch und pathetisch wird es dabei nur, wenn gegen Ende die religiöse Komponente forciert wird und dann etwas aufgesetzt und zu ausführlich diskutiert wird oder wenn Johnny in einer Vision aus dem Korintherbrief des Paulus zitiert.

Zu viel bürdet Reed in diesen Szenen dem Film auf, doch sieht man darüber hinweg, ist "Odd Man Out" ein hervorragend gespielter, stringent und packend inszenierter Thriller, der sich hinter "Der dritte Mann" nicht verstecken muss, sondern diesen legendären "Wien-Film" durch den realistischen Gestus und den Verzicht auf Manierismen wie selbstverliebte Licht- und Schattenspiele vielleicht sogar übertrifft.

An Bonusmaterial bietet die DVD neben einer Bildergalerie vor allem das auf Schreibmaschine geschriebene englische Drehbuch als pdf und ein sehr informatives 12-seitiges Booklet von Thomas Willmann. Sprachfassungen finden sich die englische und die deutsche, allerdings gibt es keine Untertitel.



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