Aufmacher - Das Vorarlberg Museum wird zur Titelseite

Die Vorarlberger Künstlerin Veronika Schubert bespielt sämtliche Fenster des Vorarlberg Museums mit Headlines aus Nachrichtenmedien und macht damit unsere kulturelle Identität zum Thema. Weithin sichtbar werden die Passant:innen zum Nachdenken angeregt: Wer bin ich, wo gehöre ich dazu und was bin ich bereit, dafür preiszugeben? Programmatisch lautet der Titel der Fassadenbespielung „Aufmacher“.

Die Aufmacher an der Fassade des Vorarlberg Museums setzt Schubert aus den unterschiedlichsten Tages- und Wochenzeitungen zusammen. Inhaltlich ihrer Funktion beraubt, behalten diese stets ihre ursprüngliche Typografie bei: mal mit, mal ohne Serifen, mal bold, mal narrow. Aus dem Monolith am Kornmarktplatz wird eine Schlagzeile. Was sich normalerweise im Inneren abspielt, wird in markigen Headlines nach außen getragen. Die Fenster des Hauses stellen ein komplex aufeinander abgestimmtes Ausstellungskonzept dar, das sich an alle Betrachter:innen richtet. Es ist eine Einladung, das Museum zu umrunden und die Botschaften zu deuten.

Den Startpunkt ihrer Intervention sieht Veronika Schubert im Imperativ „Ich bin eine Idee!“ (Die Zeit/Abitur, Nr. 44, Oktober 2019), der über die gesamte Fensterbreite des Panoramaraums geschrieben steht. Aus dem Museumsmotto „Verstehen, wer wir sind“ schält Schubert das Subjekt heraus und spielt bewusst mit ihm. Das Ich als ein mit Bewusstsein ausgestattetes, denkendes, erkennendes und handelndes Wesen kann sich selbst überraschen („Das bin ja ich“, Der Falter, 17.01.2018, #3972), sich anbiedern („Ich bin, was du willst“, Das Magazin [Tages- Anzeiger], 09.02.2022) oder sich humorvoll auf die Schippe nehmen („Ich bin nur das Interface“, Der Standard, 16.03.2012).

Die Eingangsseite mit insgesamt vier Fenstern inklusive LED-Wand verbindet das Ich schließlich mit dem vertrauten Du („Ich bin wie du“, Emma, Juli/August 2016) und lässt alles in einem gemeinsamen Wir kulminieren („Wir sind die Zwischenräume“, Die Zeit/Literatur, 09.10.2003, #1267). Der Rundgang endet im Innenraum am großen Monitor vis-à-vis des Empfangstresens. „Hier endet die Fremde“ (Kulturzeitschrift, Mai 2022) prangt in großen Lettern von der Bildschirmwand und erinnert gleichzeitig an den Titel der aktuellen Werkausgabe des Autors Kundeyt Şurdum. Er hat das gemeinsame Wir zu seiner Lebensaufgabe gemacht. „Das Museum kommuniziert lautstark – macht schmunzeln, nachdenklich oder aufgebracht. Jedenfalls lässt es niemanden kalt“, so Veronika Schubert in ihrer Konzepteinreichung.

Veronika Schuberts Neigung zur Sprache und die damit verknüpfte Leidenschaft für Sätze, die sie aus den unterschiedlichsten Medien zusammenträgt, beginnt bereits im Gymnasium. Ihre Ausbildung absolvierte Schubert an der Kunstuniversität Linz, seither ist sie als bildende Künstlerin, Animatorin und Kurzfilmmacherin tätig. Akribisch sammelt die 1981 geborene und in Lustenau aufgewachsene Künstlerin außergewöhnliche, irritierende oder merkwürdige Aufmacher. Sie tut dies mit der Begeisterung einer Archivarin und führt sämtliche Arbeitsschritte analog aus: Mit der Schere schneidet sie fein säuberlich die favorisierten Überschriften aus, vergibt eine Inventarnummer und verpackt ihre Entdeckungen in säurefreie Kartonboxen. Aus diesem Fundus bedient sie sich bei ihrer Suche nach passenden Wortbildern, die sie für ihre Werke themenspezifisch und präzise aufeinander abstimmt. Das ausgewogene Zusammenspiel von Inhalt, Medium und Werkzeug erzeugt bei den Betrachter:innen ein Gefühl von Dringlichkeit und Aktualität, begleitet von einem feinen, hintergründigen Humor.

Aufmacher
Veronika Schubert und das Spiel mit der Sprache
Bis 29. Oktober 2023