Ask Yo Mama

Während klassische Jazzsongs wie "Signifying Monkey" von Oscar Brown Junior, Hip-Hop-Tracks wie Utfo’s "Ask Yo Mama", das amerikanische Straßenreimspiel "Dirty Dozen" oder die zahlreichen Yo-Mama-Witze die Figur der "Mutter" lediglich als Instrument in einem kunstvollen, verbal ausgetragenen Kampf benutzen, um den Gegner zu beleidigen und psychologisch zu schwächen, dreht das Ausstellungsprojekt "Ask Yo Mama" das freche Pattern des Rap und Scat einmal um: Es nimmt die Worte wörtlich und setzt den Fokus bewusst auf Künstlerinnen, die ihre Version der Geschichte in Form einer künstlerischen Arbeit präsentieren, die Bezug nimmt auf "schwarzen Sound".

"Ask Yo Mama" ist eine "post black"-Ausstellung und schließt an eine Reihe von Ausstellungen aus den USA an (One Planet Under a Groove, Black Light White Noise, Freestyle etc). Vor allem Thelma Golden, die Kuratorin des Harlem Studio Museums und ehemalige Kuratorin des Whitney Museums prägte den Begriff des "post black", der die Verlagerung vom Körper hin zur einer ästhetischen Sensibilität bezeichnet. So macht auch die Auswahl der Künstlerinnen für "Ask Yo Mama" deutlich, dass es um eine Sprache geht, die wir sprechen, die in der Tradition der afroatlantischen Diaspora ihren Anfang nahm. Spätestens seit den 1990er Jahren (eigentlich bereits seit den 1920er Jahren mit Charleston, Blues und Swing) ist diese Sprache die Sprache einer ganzen Generation geworden, die mit afroatlantischer DJ-Kultur wie Hip Hop, Dubstep, Techno, House, Electro etc. aufwuchs.

Der Galerieraum (White Cube) der Kunstszene, die hegemoniale Präsentationsform für Kunst, von den 1920er Jahren bis zur Gegenwart, hat sich nur sehr zögerlich gegenüber afroatlantischem Sound geöffnet. Gleichzeitig wurden und werden traditionell weiße europäisch geprägte musikalische Szenen problemlos im Kunstkontext aufgenommen. Von Klassik, Punk über New Wave bis zu experimenteller Noise Avantgarde ist alles in den führenden zeitgenössischen Ausstellungen in Europa vertreten. Beim Anblick von Kunst, die sich auf die (musikalische) Tradition der afroatlantischen Diaspora bezieht, scheint die aktuelle kontinentaleuropäische Kunst jedoch noch immer sprachlos.

Einen tanzbaren Beat als komplexe Avantgarde zu verstehen, wie in der Harlem Renaissance der 1920er Jahre mit der Erfindung der synkopischen Swing-Rhythmen, scheint im kontinentaleuropäischen Kunstkontext immer noch schwierig. Hier wird schwarzer Sound als Teil einer Unterhaltungsindustrie kulturell abgewertet. Dabei überschneiden sich die Diskurse der afroatlantischen musikalischen Tradition und der bildenden Kunst vielfach, wie eine ganze Generation zeitgenössischer Künstlerinnen mit ihren Werken belegen. "Ask Yo Mama" will dazu beitragen, den White Cube stärker für afroatlantischen, schwarzen Sound zu öffnen.

Ihu Anyanwu aka G. Rizo (geb. 1974) wird für die Eröffnung der Ausstellung "Ask Yo Mama" in Kooperation mit der Künstlerin Constanze Schweiger eine Performance mit dem Titel "Your Africa Is Showing" machen. Anyanwu lebt in Wien.

Sonia Boyces konzeptionelle Arbeit "devotional wallpaper" besteht aus einer Liste von 200 Namen ausschließlich schwarzer, weiblicher Musikerinnen. Das "devotional wallpaper" repräsentiert so auf einen Blick den großen weiblichen afroatlantischen Bestandteil britischer Alltagskultur. Sonia Boyce wurde 1962 geboren. Sie lebt und arbeitet in London.

Die Leuchtschrift-Installation "Mulatta" von Yvette Mattern in Verbindung mit dem eigens dafür komponierten Soundtrack des Jazzmusikers und Komponisten Don Byron erinnert an die vergangenen Tage der Tanzlokale der Puerto Ricaner in New York und andernorts. Gleichzeitig bricht die Künstlerin, die als Nachfahrin weißer und schwarzer Großeltern 1963 in Puerto Rico geboren wurde, die warme Bar-Atmosphäre brutal durch das Wort "Mulatta", einen Begriff, der im Kontext des Rassismus der 1920er Jahre entstanden ist. Mattern lebt in New York.

Maruša Sagadins erstmals in Wien zu sehendes Video "Sehr gern modern" ist eine Spoken-Word-Performance, die die Vereinnahmung des öffentlichen Raumes durch große Firmen und deren Star-Architekten persifliert. Sagadin (geb.1978) lebt und arbeitet in Wien.

Constanze Schweiger (geb. 1970) gestaltet für die Performance "Your Africa Is Showing" einen Bühnenraum aus Patchworkstoff. Diese Stoffkomposition verbildlicht Ihu Anyanwus musikalische Performance. Schweiger lebt und arbeitet in Wien.

Sangam Sharma (geb.1978) beschreibt in ihrer Sound-Installation "Gefrorene Musik" die Verbindung zwischen dem Emporkommen von Jazz und dem Wachstum moderner Städte. Teil der Installation ist eine Vinyl-PVC-Dubplate, in der Sharma eine Aufnahme des Berliner Hip-Hop-Acts Sido mit dem Titel "Mein Block über das Aufwachsen in einer Plattenbausiedlung" mit einer Interpretation des gleichen Themas von einer Gruppe Jugendlicher der Wiener Großfeldsiedlung (GFS) kombiniert. Sharma lebt und arbeitet in London und Wien.

Die Künstlerin Ina Wudtke (geb.1968) interessiert sich für Künstlerinnen im deutschsprachigen Raum, die in den 1920er bis 30er Jahren mit starkem Bezug zu schwarzem Sound arbeiteten. Sie stieß dabei u.a. auf die Berliner Tänzerin Valeska Gert, die, beeinflusst durch den Jazz, in Berlin eine hypermoderne Tanzperformance entwickelte. Wudtke verwendet Performancefotos von Gert als Ausgangspunkt für ihre Fotoinstallation "herstory: Ask Yo Mama". Wudtke lebt und arbeitet in Berlin.

Anna Zwingl (geb. 1983) lebt und arbeitet in Wien. Ihre Installation "Limbo" aus dem Jahr 2009 setzt die freie Assoziation der Bewegungen des Tanzes der Westindischen Inseln in verschiedenen Materialassemblagen wie Holz, Lack, Weichgummi und Fundstücken um. Ina Wudtke

Ask Yo Mama
30. September bis 10. Dezember 2011