Anspruchsvoll und virtuos: Kian Soltani und das Luzerner Symphonieorchester

Ein Gastspiel des Luzerner Sinfonieorchesters und zugleich das Heimspiel des internationalen Starcellisten Kian Soltani sicherte ein ausverkauftes Feldkircher Montforthaus. Am Programm standen selten aufgeführte Werke von Prokofjew und Tschaikowsky: Zaristisches Russland und sowjetischer, von Stalin geprägter Realismus: zwei Welten, die scheinbar nichts mehr miteinander zu tun haben und kulturell doch aus denselben Quellen schöpfen. Es lohnt zu recherchieren, denn der verteilte Hochglanz-Programmzettel bleibt alles schuldig.

Auf ein unvorbereitetes Publikum trifft also das höchst anspruchsvolle Symphonische Konzert für Violoncello und Orchester von Sergei Prokofjew (1891–1953). Dieses Spätwerk vollendete er kurz vor seinem Ableben, nachdem sein erster Versuch, das Cellokonzert Opus 58, in den dreißiger Jahren ein totaler Misserfolg war. Erst über Anregung seines Schülers, dem berühmten Cellisten Mstislav Rostropovich, schrieb er das Stück komplett um und veröffentlichte dieses als Opus 125. 

Es ist der formidable Cellist, der in kürzester Zeit die Zuhörenden in den Bann zieht und das schwierige Stück erschließt. Kian Soltani kommt aus Vorarlberg und wird von den weltweit führenden Orchestern, Dirigenten und Konzertveranstaltern eingeladen. Er spielt das Antonio Stradivari Cello „The London, ex Boccherini“, das ihm von einem großzügigen Sponsor über die Beares International Violin Society zur Verfügung gestellt wurde. Kian Soltani vermag mit charismatischer Bühnenpräsenz unmittelbar die emotionale Verbindung mit dem Publikum herzustellen. In Perfektion und durchdringend schönem Ton reizt der Solist die extremsten Ausdrucksskalen mit seinem Instrument aus. Virtuos (und auswendig!) träumt er sich in die lyrisch sonoren Passagen, meistert rasante Übergänge, wilde Kadenzen, Doppelgriffe und hüpfende Staccati, inszeniert die sachten Dissonanzen und russisch-folkloristisch angehauchte Legato-phrasen mit Hingabe. Atemberaubend! Als kleine, feine Zugabe gibt es noch ein persisches Volkslied über „Das Mädchen von Shiraz“.

Regional verankert und international ausgerichtet sind die 74 Musikerinnen und Musiker aus rund 20 Nationen des Luzerner Symphonieorchester. Dies ist das älteste Symphonieorchester der Schweiz (seit 1805) und als Residenzorchester im KKL Luzern zuhause. Der gefragte Dirigent Stanislav Kochanovsky gab dort im Februar sein Debut mit demselben Programm. Für den zweiten Teil des Konzerts wurde die ebenfalls eher selten zu hörende Sinfonie Nr. 1 in g-Moll „Winterträume“ op. 13 von Pjotr Iljitsch Tschaikowsky gewählt, eine musikalische Entdeckungsreise durch die weiten Winterlandschaften im zaristischen Russland. Tschaikowsky nannte seinen sinfonischen Erstling von 1869 in reifen Jahren eine „Sünde der lieben Jugend“. Und dennoch: „Wenn es auch in vielfacher Hinsicht sehr unreif ist, so ist es doch, genau genommen, gehaltvoller und besser als viele andere, die reifer sind.“ Die reiche Lyrik („Land der Öde, Land der Nebel“) und Anmut dieser Symphonie täuschen darüber hinweg, dass sie ihren Komponisten während der Arbeit daran in einen Nervenzusammenbruch trieb. Wobei es im letzten, nicht endend wollenden Satz mit dem „unwiderstehlich übertriebenen Schluss“ schon ziemlich heftig einhergeht.

Die Erweiterung des Publikumskreises in die Bodenseeregion soll zur Tradition werden, das Luzerner Sinfonieorchester ist kommenden Herbst wieder zu Gast. Aber bitte das nächste Mal auch in Feldkirch mit einer Konzerteinführung, so wie beim selben, kurz davor aufgeführten Konzert in der Heimspielstätte, im KKL Luzern.

Luzerner Sinfonieorchester / Kian Soltani
Leitung: Stanislav Kochanovsky
Sergej Prokofjew (1891 ‒ 1953)
Sinfonia concertante für Violoncello und Orchester op. 125
Piotr Iljitsch Tschaikowsky (1840 ‒ 1893)
Sinfonie Nr. 1 g-Moll op. 13 „Winterträume”