Anna M. Kramm und Max Seibald - In the undergrowth

Zwischen einer poetischen Bildsprache und der konkreten Materialform eröffnen Anna M. Kramm und Max Seibald in differenter Herangehensweise einen Blick ins "Unterholz". Dort, wo Anna M. Kramm in schichtweisen Farb-Layern auf der Leinwand Verborgenes langsam ans Licht bringt, entdeckt Max Seibald die Ressourcen für seine schlichten Raumskulpturen.

Während in der malerischen Geste Natur- und Lebensräume wieder in Erinnerung gerufen werden, definieren die architektonisch anmutenden Holzobjekte Zeit-Räume, erreicht durch das Extrahieren der "kranken" Jahresringe (pathologischer Nasskern).

"Der Wald kennt keine Grenzen und keine Mitte" — obwohl für Anna M. Kramm kein Sehnsuchtsort, hat sie der Anblick der dunklen, kompakten Masse dieser Landschaftsform immer magisch angezogen. In seiner natürlichen Rauheit und in Kramms zeichnerischer Arbeit fehlt ihm jegliches Idyllisches, er lässt ihm innewohnende archetypisch verborgene Bedrohungen und Begegnungen mit unausweichlichen Widrigkeiten erahnen. Linien, Punkte, Formen, auch Flecken aus Schwarzölpastell oder geriebenem Graphit, die Kramm mit einfachem Zeichenwerkzeug auf Papier und Leinwände bannt, zeugen von dieser Faszination.

Die Künstlerin komponierte die Bilder, die im Bildraum Bodensee erstmals präsentiert werden, im wahrsten Sinne des Wortes angesichts des Waldes und mit engem Bezug auf jene subtil gearbeiteten Skulpturen, die Max Seibald aus mitunter beachtlich großen Reststücken forstwirtschaftlicher Arbeit herausformt.

Der Baum ist für Max Seibald ein starkes Lebenssymbol; Symbol für Kraft und Energie. Seine je nach Standort naturbedingt-besonderen Wuchsformen inspirieren den Gedankenprozess des Künstlers. Die Oberflächenstrukturen werden in geometrische Formen übersetzt, die sich aus radialen Vermessungen ableiten, naturgegebene Grundformen werden dabei beibehalten und in Skulpturen übersetzt, deren architektonische Hülle auf einen Zeit-Raum verweisen. Der Raum wird durch den bildhauerischen Eingriff der Aushöhlung geschaffen und ist in einer Zeit-Zahl begründet, die, entsprechend der Jahresringe, die fehlende Materie definiert. Aus den massiven Rohlingen entstehen lebendige Skulpturen voller spielerischer Leichtigkeit, die Räume gleichzeitig okkupieren und freigeben.

Anna M. Kramm & Max Seibald - In the undergrowth
21. Mai bis 15. Juni 2021