Der mit insgesamt 100'000 Euro dotierte Wolfgang-Hahn-Preis der Gesellschaft für Moderne Kunst am Museum Ludwig geht in diesem Jahr an die 1946 in Kairo geborene Anna Boghiguian. Die Verleihung der zum 30. Mal vergebenen Auszeichnung fand am 8. November um 18:30h im Museum Ludwig in Köln statt.
Die ägyptisch-kanadische Künstlerin armenischer Herkunft zählt seit ihren Teilnahmen an den Biennalen von Istanbul 2009 und Sharjah 2011 sowie der Documenta 13 im Jahre 2012 in Kassel zu einer der spannendsten Positionen der Gegenwartskunst. Bekannt ist sie für ihre figurativen Wandmalereien, (Notiz-)Bücher, Zeichnungen, Gemälde, Fotografien und Skulpturen und auch für einige spektakuläre großformatige Installationen.
Die Arbeiten Boghiguians entstehen oft spontan und häufig direkt vor Ort. Sie gilt als einfühlsame Beobachterin des menschlichen Daseins und vermittelt eine Interpretation des zeitgenössischen Lebens, in der sie inhaltlich klug zwischen Vergangenheit und Gegenwart, Dichtung und Politik, Geschichte und Literatur oszilliert.
Ihre Werke, in denen sie verbale und visuelle Darstellungsformen miteinander verknüpft, wirken unmittelbar und emotional. Thematisch verbinden sie das fundierte historische Wissen der Künstlerin mit ihrem Gespür für aktuelle Debatten, wenngleich sie in ihrer Ausführung wie ein Gegenpol zur Optik einer technisierten digitalen Welt wirken.
"Mit ihr wird eine Künstlerin gewürdigt, deren Werk gleichermaßen politisch und poetisch ist. Darüber hinaus lassen sich in ihren figurativen Installationen vielfältige Beziehungen zur Malerei des 20 Jahrhunderts im Museum Ludwig herstellen. Sollte sie ihrer grundsätzlichen künstlerischen Praxis folgend für das Museum eine neue Arbeit anfertigen, wäre dies außerordentlich erfreulich und aufregend," kommentiert Yilmaz Dziewior, Direktor des Museum Ludwig und davor Chef des Kunsthauses Bregenz (KUB).
Boghiguian kam als Tochter eines armenischen Uhrmachers zur Welt und studierte in den 1960er Jahren Politikwissenschaft und Wirtschaftswissenschaft an der Amerikanischen Universität in Kairo. In den frühen 1970er Jahren zog Anna Boghiguian nach Kanada und studierte Kunst und Musik in Montreal. Sie ist ihr ganzes Leben lang gereist und pflegt eine kosmopolitische Kultur.
Boghiguian hat ihr Atelier und ihren Wohnsitz in Kairo, lebt und arbeitet aber auch in Europa, Asien, Afrika und Amerika. 2003 nahm sie an der Wanderausstellung “Contemporary Arab Representation” teil und an der 11. und 14. Istanbul Biennale in 2009 and 2015, an der Sao Paulo Biennale in 2014 und in 2023 und sie gewann den Goldenen Löwen für den besten Pavillon (Armenien) auf der 56. Biennale von Venedig.
Der Wolfgang-Hahn-Preis wird jährlich von der Gesellschaft für Moderne Kunst am Museum Ludwig vergeben, 2024 zum 30. Mal. Mit der Auszeichnung sollen vorrangig zeitgenössische Künstler:innen geehrt werden, die sich in der Kunstwelt durch ein international anerkanntes Œuvre bereits einen Namen gemacht haben, in Deutschland aber noch nicht so bekannt sind, wie sie es verdienen. Das Preisgeld in Höhe von maximal 100.000 Euro setzt sich aus den Beiträgen der Mitglieder zusammen und fließt in den Erwerb eines Werks oder einer Werkgruppe der Künstler:innen für die Sammlung des Museum Ludwig. Mit dem Preis verbunden sind vom Museum Ludwig organisierte Ausstellungen der erworbenen Arbeit(en) der Preisträger*innen sowie die Herausgabe einer begleitenden Publikation.
Der Name des Preises ehrt das Andenken an den passionierten Kölner Sammler und Gemälderestaurator Wolfgang Hahn (1924–1987), der sich in vielfältiger Hinsicht für die Kunst der europäischen und amerikanischen Avantgarde in Köln engagierte. Zu den bisherigen Gewinnern zählen unter anderem Peter Fischli & David Weiss, Peter Doig, Mike Kelley, Pipilotti Rist, Franz West, Rosemarie Trockel, Raymond Pettivon oder Isa Genzken.