Angelika Kauffmann verehrt und vereinnahmt

Angelika Kauffmann (Chur 1741–1807 Rom) war bereits zu Lebzeiten eine Ikone. Als starke Frau und Malerin in ganz Europa verehrt und bewundert gilt sie als Vorreiterin des modernen Feminismus und Weltbürgertums.

Schon als Kind war sie viel unterwegs und wechselte häufig den Wohnsitz. In London und Rom machte sie Karriere. Schweizer, Deutsche und Briten sehen sie bis heute als eine der ihren. Sie selbst hingegen betrachtete immer den Bregenzerwald als ihre Heimat. Anhand von Originalwerken und Archivmaterial stellt die Ausstellung Fragen zu Herkunft, Identität und Selbstinszenierung und zeichnet die öffentliche Wahrnehmung der Künstlerin vom 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart nach.

Welche Rollen hat Angelika Kauffmann eingenommen und welche wurden ihr nachträglich zugeschrieben? Wie hat sich die erfolgreiche Künstlerin selbst inszeniert und welche Bilder haben sich andere von ihr gemacht? Unter welchen Überschriften und Schlagworten wurde und wird über ihre Person, ihr glamouröses Leben und ihr künstlerisches Werk gesprochen? Von welchen Ländern und politisch-ideologischen Strömungen wurde sie im Laufe der Geschichte vereinnahmt? Wie konnte die Lieblingskünstlerin der gesellschaftlichen, politischen und kulturellen Elite Europas nach ihrem Tod gleichzeitig zu einer Ikone des Bregenzerwalds, der europäischen Aufklärung, der Deutschnationalen und des modernen Feminismus werden?

Gezeigt wird neben Originalgemälden, Zeichnungen und Grafiken aus allen Schaffensperioden erstmals auch die umfangreiche Bücher- und Zeitschriftensammlung eines Vorarlberger Sammlerpaars, die dem Mythos Angelika Kauffmann vom 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart nachspürt.

Große Tochter

Von 1969 an zierte Angelika Kauffmann die österreichische 100-Schilling-Banknote. Dieser Geldschein war bis weit in die 1980er Jahre eines der gängigsten Zahlungsmittel und machte Kauffmann in der breiten Bevölkerung des Landes als große Österreicherin und Vorarlbergerin bekannt. Eine Herkunft und Identität, die rein biografisch betrachtet allerdings nicht immer so klar war. Als Tochter eines Schwarzenberger Kirchenmalers und einer Schweizerin wurde Angelika Kauffmann, wie sie in ihrem Testament betont, „aus Zufall“ in Chur in Graubünden geboren, ist im Veltlin aufgewachsen, bereiste in ihren Lehrjahren ganz Italien und machte in den Großstädten London und Rom Karriere. Schweizer, Deutsche und Briten betrachten sie bis heute als eine der ihren. Sie selbst aber blieb zeitlebens dem Bregenzerwald, der Heimat ihres Vaters, verbunden, obwohl sie sich nur wenige Male dort aufhielt. Stolz malte sie sich in Bregenzerwälder Tracht und kokettierte in der großen weiten Welt mit dem Image der „sweet daughter of the mountains“ (George Keate, 1781).

Umstrittenes Vorbild

Nach ihrem Tod 1807 wurde die als „weiblicher Raffael“ gefeierte Malerin in Rom mit großem Pomp zu Grabe getragen. In der breiten Bevölkerung Vorarlbergs blieb sie bis Anfang des 20. Jahrhunderts hingegen weitgehend unbekannt. Nur zögerlich erfolgte ihre Verankerung in der Landeskunde. Eine selbstbewusste, kinderlos gebliebene Frau mit zweifelhaftem Lebenswandel, deren Gemälde mitunter als sündhaft angesehen wurden, taugte in konservativ-katholischen Kreisen lange Zeit nicht als Vorbild. Nichtsdestotrotz wurde im „Luftkurort Schwarzenberg“ bereits im 19. Jahrhundert mit der berühmten Tochter und ihrem „Kunstschatz, der die Augen eines jeden fesselt“ um Touristen geworben. Einige aus ihrem Nachlass nach Vorarlberg gekommene Bilder wurden bis etwa 1865 im Schwarzenberger Gasthaus „Schäfle“ verwahrt. Dort zogen sie auch das Interesse einheimischer Künstler wie dem jung verstorbenen Johann Jakob Fink (1821–1846) auf sich, der sich an Kopien nach Kauffmanns Werken schulte. In der Ausstellung treffen die beiden Generationen, Original und Kopie, nun wieder aufeinander.

Miss Angel

Nicht nur was die Identitätsfrage betrifft, war das Bild der Künstlerin in der öffentlichen Wahrnehmung und aus Sicht der Kunstgeschichte im Laufe der Zeit einem stetigen Wandel unterworfen. Früh vom Vater als Wunderkind gefördert und in die Gesellschaft eingeführt, stieg die junge Angelika Kauffmann schon während ihrer Lehrjahre in Italien in die oberste Liga der europäischen Kunstszene auf. Englische Grand-Tour-Reisende bewegten sie 1766 nach London zu übersiedeln. Als angesagte Porträtmalerin und durch die Verbreitung von Kupferstichen nach ihren Werken wurde die geschickte Geschäftsfrau und unermüdliche Arbeiterin bald reich und berühmt. Als eines von nur zwei weiblichen Gründungsmitgliedern der Royal Academy of Arts sicherte sie sich für immer einen Platz in der britischen Kunstgeschichte. Ihr glamouröses Leben inmitten der High Society und ihre Kurzzeit-Ehe mit einem Heiratsschwindler machten „Miss Angel“, wie sie liebevoll genannt wurde, auch zum Liebling der Klatschpresse. Von einer angeblichen Affäre mit ihrem Künstlerkollegen und Förderer Joshua Reynolds bis zu verunglimpfenden Karikaturen reichte das Spektrum der Angriffe gegen ihre Person. Seither wird sie in biografischen Romanen gerne als Frau dargestellt, der die Männerwelt zu Füßen lag und deren private Beziehungen ihre Arbeit zuweilen überstrahlten. Nach wie vor verstellt dieses große Interesse an der Person Angelika Kauffmann vielfach den Blick auf ihre künstlerischen Leistungen.

Deutsche Malerin

In Rom wurde die „zarte Seele“ Angelika zu einer Leitfigur des Zeitalters der Empfindsamkeit und zur Heldin der Weimarer Klassik – verehrt von Goethe, Herder und anderen Geistesgrößen, die auf ihren Italienreisen in ihrem weithin bekannten Salon ein- und ausgingen. Posthum wurde ihr als Frau aber nicht immer die gleiche Würdigung und Aufmerksamkeit zuteil wie ihren männlichen Zeitgenossen. So entbrannten immer wieder Qualitätsdebatten um ihr Werk, die vor allem die „verweiblichte“ Art ihrer Männerdarstellungen thematisierten. Mehr Anklang fand ihre an antiken Idealen orientierte Kunst schon früh unter den Deutschnationalen. Diese politisch-ideologische Vereinnahmung und Überhöhung ihres vermeintlichen „Deutschtums“ setzte sich bis in die NS-Zeit fort. Es ist kein Geheimnis, dass von 1939 bis zum Ende des Krieges zwei Bilder Kauffmanns im Arbeitszimmer von Adolf Hitler in der Neuen Reichskanzlei in Berlin hingen. Die beiden ursprünglich für Kaiser Joseph II. in Wien entstandenen Gemälde „Pallas von Turnus getötet“ und „Hermann von Thusnelda gekrönt“ (beide 1786) gelten seither als verschollen. Erhalten haben sich jeweils die Ölskizzen, die sich heute im Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum in Innsbruck befinden. Eine davon, zu „Pallas von Turnus getötet“, ist nun als Leihgabe in Schwarzenberg zu sehen.

Feministin

In jüngerer Zeit rückte dann vor allem durch die Forschungen von Bettina Baumgärtel und Angela Rosenthal eine ganz andere Lesart in den Vordergrund: Angelika Kauffmann und ihre Kunst werden nun vorwiegend aus der Perspektive der Frauen- und Geschlechterstudien interpretiert. Die Künstlerin avancierte zu einer zentralen Figur der Frauenbewegung und der feministischen Kunstgeschichtsschreibung, was ihr zu neuer Anerkennung verhalf. Kauffmann war Teil vieler maßgeblicher Ausstellungen und Publikationen zu diesem Thema und auch in der von Frauenrechtsikone Alice Schwarzer gegründeten Zeitschrift „Emma“ wurde schon über sie berichtet.

Eine von uns
Angelika Kauffmann verehrt und vereinnahmt
Eine Ausstellung des Fördervereins »Freunde Angelika Kauffmann Museum Schwarzenberg«, kuratiert von Thomas Hirtenfelder.
1. Mai bis 30. Oktober 2022