Andreas Christen im Haus Konstruktiv

Andreas Christen (1936-2006) zählt zu den bedeutendsten Schweizer Künstlern und ist gleichzeitig einer der wichtigsten Vertreter der Schweizer Produktgestaltung. Haus Konstruktiv widmet ihm nun die erste breit angelegte Retrospektive, die nicht nur das künstlerische Œuvre von den frühen 1960er Jahren bis zu seinen letzten Werkreihen aus den Jahren 2004/2005 umfassend vorstellt, sondern auch einige seiner wichtigsten Designprodukte zeigen wird.

In der Einzelausstellung zeigt das Haus Konstruktiv frühe Bilder Ende der 1950er Jahre, in denen sich Christen noch mit einer traditionell-geometrischen Malerei mit Elementarfarben beschäftigte, bevor er zu seinen ganz eigenen monochromen Bildlösungen fand: Der Objektcharakter seiner als "Monoforms" bekannt gewordenen Reliefbilder, die seit 1959 entstehen, ist das Resultat einer konzentrierten Reflexion des Mediums Malerei, in die Christen durch eine Brechung der Bildflächen eingriff. Es geht um die für die konkrete Kunst zentrale Frage nach der Behandlung der Fläche, ausgelotet wird ihre mögliche räumliche Ausdehnung.

War es in der klassischen Tafelbildmalerei darum gegangen, auf der Bildfläche mithilfe perspektivischer Mittel eine illusionistische Raumtiefe zu erzeugen, so sahen die Maler der klassischen Moderne ihre Aufgabe darin, die Fläche als solche bestehen zu lassen. Die Anfänge dieser Entwicklung sind bereits in den Gemälden Paul Cézannes (1839-1906) angelegt. Ihre bis dahin radikalste Umsetzung findet sie in den streng flächenbezogenen Bildern konkreter Künstler wie Wassily Kandinsky (1866-1944), Piet Mondrian (1872-1944) oder Theo van Doesburg (1883-1931).

Ihnen allen ging es darum, die Mittel der Malerei, d.h. Fläche, Farbe und Form, aus ihrer Abbildfunktion zu befreien. Die Werke von Andreas Christen zeigen eine faszinierende Ambivalenz im Umgang mit diesem Thema auf: Sie sind malerisch, obschon sie vollends auf Farbe verzichten und sie sind objekthaft, obschon sie der Fläche verhaftet bleiben. Einzelne Punkte werden reliefartig aus der Bildfläche hervorgehoben und dort, wo das Licht an den Kanten und Neigungen der Bildfläche bricht, entsteht ein facettenreiches Lichtspiel.

"Ich überlasse die Farbe als Körper den anderen" sagt Christen in einem Interview 1993, "aber nicht Farbe als Licht", und so entwickeln sich alleine durch den Lichteinfall auf seinen Reliefbildern zarte Nuancen von leuchtendem Weiss bis hin zu tiefdunklem Grau. Man möchte an die weissen Bilder des US-amerikanischen Malers Robert Rauschenberg denken, die John Cage einmal als Landeplätze für Licht beschrieben hat.

Neben Christens subtiler Kunst, die sich zwischen Konkretion und Minimalismus verorten lässt, werden daher auch einige seiner wichtigsten Möbel in seiner Einzelausstellung zu sehen sein. Unter dem Leitthema "Lebenswelten" werden Objekte wie Christens stapelbares Polyesterbett, sein Regalsystem – das längst ein Klassiker geworden ist –, seine Lampe und seinen Briefkasten gezeigt. Zusammen mit dem Firmenchef Ernst Schweizer konzipierte Andreas Christen in den 1970er Jahren einen Briefkasten, der das Schweizer Wohn- und Strassenbild unwiderruflich geprägt hat. Christen selbst äusserste sich darüber 1994 im Hochparterre: "Wahrscheinlich das Beste, was ich gemacht habe, war in den Siebziger Jahren ein Norm-Briefkasten für die Firma Schweizer, der heute noch auf dem Markt ist."

Wieder zu haben ist auch das Stapelbett: Die in Winterthur beheimatete Firma Scobalit AG legt nach dem Originalentwurf von 1960 in einer 15er Edition das Stapelbett aus Kunststoff wieder auf, das im Haus Konstruktiv während der Ausstellung erworben werden kann. Doch auch die Zusammenarbeit zwischen Andreas Christen und der Lehni AG ist eine Erfolgstory besonderer Art: Christen entwarf seit Mitte der 1960er Jahre vorwiegend die Entwürfe für die Kollektion der Lehni AG. In beispielloser Weise hat sich zwischen einer Firma und einem Künstler eine wegweisende und verbindliche Zusammenarbeit entwickelt.


Andreas Christen - Zwischen Malerei und Objekt
29. Mai bis 3. August 2008