Andrea Geyer/ Sharon Hayes im Kunstmuseum St. Gallen

Im Zentrum einer Ausstellung im Kunstmuseum St.Gallen stehen die künstlerischen Kollaborationen von Andrea Geyer und Sharon Hayes, realisiert u. a. in der raumgreifenden Arbeit "Cambio de lugar". Kollektive Ansätze treten bei feministischen Künstlerinnen als markantes Phänomen hervor. Darin brechen sich die individuelle Autorschaft und die damit verbundenen Klischees vom Künstler-Schöpfer. In der Konfrontation mit anderen Haltungen und Ideen öffnet sich der Diskurs. Um den Kernbestand gemeinsamer Arbeiten präsentieren die Künstlerinnen individuelle Werke, die jedoch in engem Bezug zum gemeinsamen Schaffen bzw. zum künstlerischen Gegenüber stehen.

"Cambio de lugar/ Change of Place/ Ortswechsel" – so lautet der Titel einer frühen Gemeinschaftsarbeit der New Yorker Künstlerinnen Andrea Geyer und Sharon Hayes. In fünfundzwanzig Interviews, auf Monitor je einzeln präsentiert, werden Personen befragt, die sich heute als Frau identifizieren oder als solche irgendwann in ihrem Leben identifiziert worden sind. Aus unterschiedlichen geografischen, kulturellen und sozialen Kontexten stammend, diskutieren sie das Verhältnis der Geschlechter und das individuelle Selbstverständnis dazu. Auf den entstandenen Videodokumentationen sieht man jedoch keine der Interviewpartnerinnen, sondern einzig die Übersetzerinnen, wodurch sich der Inhalt subtil verschiebt, von den gegebenen Antworten auf das Übersetzen als kommunikatives Moment und damit letztlich zur Frage nach der Produktion von Wissen durch die Übertragung von einer Sprache in eine andere.

Andrea Geyer (*1971 in Freiburg i. B.) war mit ihrer eindrücklichen Fotoarbeit "Spiral Lands/ Chapter 1" die Entdeckung der documenta12. Ihr Werk wurde bis heute in zahlreichen internationalen Ausstellungen gezeigt, so u. a. in der Generali Foundation in Wien, im Whitney Museum of American Art in New York und in der Tate Modern in London. In "Spiral Lands", realisiert als subtile Bild-Textarbeit, verbinden sich S/W-Fotografien mit geschichtlichen Daten, Nachrichten und fiktiven Reiseberichten. Die Reflexion über das Medium Fotografie und ihre entscheidende Rolle im "Entdeckungsmythos" des amerikanischen Westens und dessen Vermittlung in den Massenmedien führt zu einer feingliedrigen Analyse der Kolonialisierung und Landnahme durch die Vereinigten Staaten.

Sharon Hayes (*1970 in Baltimore) untersucht in ihrem Schaffen die heutigen gesellschaftlichen Gegebenheiten, indem sie nach historischen Parallelen forscht, wie in ihrer packenden Videoarbeit "10 Minutes of Collective Activity" (2003), die "In the Eye of the Storm / Auge des Zyklons" 2007 im Kunstmuseum St.Gallen zu sehen war. Ausgangsmaterial für ihr künstlerisches Werk kann zum Beispiel die Rhetorik einer parteipolitischen oder präsidialen Ansprache genauso sein wie die Slogans linksradikaler Splittergruppen. Stets jedoch sind es gesellschaftlich signifikante Themen, die sich in die amerikanische Geschichte eingeschrieben haben. Dabei geht es auch um eine Untersuchung der komplexen Verhältnisse zwischen Geschichte, Politik und dem Prozess der individuellen und kollektiven Wahrnehmung. Zu diesem Zweck verwendet Sharon Hayes unterschiedlichste Medien wie Video, Installation und Performance, in denen sich journalistische Recherchiermethoden subtil brechen.

Die Ausstellung im Kunstmuseum St.Gallen, die in internationaler Kooperation mit der Kunsthalle Göteborg / Schweden realisiert wird, geht von den einzigartigen Kollaborationen der beiden Künstlerinnen aus und führt erstmals umfangreichere Werkgruppen von Andrea Geyer und Sharon Hayes zusammen, die sich in ihrem jeweiligen Schaffen aus einer dezidiert feministischen Sicht mit grundlegenden gesellschaftlichen und politischen Fragen beschäftigen.


Andrea Geyer/ Sharon Hayes
19. September bis 22. November 2009