The Ancients Stole All Our Great Ideas

Der Amerikaner Ed Ruscha ist einer der einflussreichsten Künstler unserer Zeit in den Bereichen Malerei, Zeichnung, Druckkunst, Fotografie und grafische Gestaltung. Bereits 1961 besuchte Ruscha auf einer Europareise das Kunsthistorische Museum in Wien. Genau fünfzig Jahre nach dieser Reise, die für seine künstlerische Entwicklung von großer Bedeutung war, wurde Ed Ruscha nun vom Kunsthistorischen Museum eingeladen, nach Wien zurückzukehren, um die Kuratoren des Hauses kennenzulernen und sich mit den Sammlungen des Hauses auseinanderzusetzen – und um schließlich aus den vielen Tausend Objekten seine "persönliche Sammlung" zu erstellen.

Das Ergebnis ist eine sich auf einen Raum beschränkende Ausstellung, für die jedes Objekt von Ed Ruscha persönlich ausgesucht wurde. Das Auge des Künstlers ist der rote Faden, der die gezeigten Werke verbindet. Für den Besucher bestehen Herausforderung und Vergnügen darin, seinen eigenen Blick dem des Künstlers anzugleichen, um die für seine Wahl ausschlaggebenden Überlegungen zu begreifen. Das motiviert uns zu einer Beschäftigung mit Werken, die wir gut kennen, und bringt uns dazu, unsere Bewertung bestimmter Objekte im Vergleich zu anderen zu hinterfragen. Ebenso wichtig ist, dass die Auswahl auch ein Licht auf Ruschas eigene Arbeit sowie auf die ihnen zugrunde liegenden Gedanken und Entscheidungen wirft.

Betrachtet man die von Ruscha ausgewählten Werke, werden alsbald gedankliche Verbindungslinien sichtbar. Von den Münzen- und Briefmarkensammlungen, die der Künstler als Kind angelegt hat, bis zu seinen frühen Büchern wie "Nine Swimming Pools" (1968) und "Twentysix Gasoline Stations" (1963) hat sich Ruscha seit Langem für Ideen der Taxonomie begeistert und den Wunsch verspürt, die uns umgebende Welt zu klassifizieren und zu quantifizieren. Dies zeigt sich in der Ausstellung nicht nur in realer, gleichsam wissenschaftlicher, sondern auch in fantastischer und praktisch absurder Weise. Mit dieser Begeisterung eng in Zusammenhang steht Ruschas Interesse an Kunst und Natur – von gemalten Tier- und Blumenstudien bis zu tatsächlichen erhaltenen Exemplaren – sowie an dem Ort, an dem diese einander begegnen: der Kunstkammer und ihren außergewöhnlichen Beständen von exotica, naturalia, scientifica und artificialia. Und für Besucher, denen Ruschas eigene Arbeiten vertrauter sind, finden sich faszinierende und oft unerwartete Korrespondenzen: Breitwandformate, Vogelperspektiven, Text und Druck und anderes mehr. Der Titel der Ausstellung, ein Zitat nach Ruschas Landsmann Mark Twain, sagt alles.

Der Großteil der Objekte in der Ausstellung stammt aus zwei Sammlungen des Museums: der Gemäldegalerie sowie der Kunstkammer, die weltweit als die wichtigste ihrer Art gilt und die im Februar 2013 nach fast zehnjähriger Schließungs- und Bauzeit wieder eröffnet wird. Ergänzt werden diese Werke um Leihgaben aus Schloss Ambras, aus dem Naturhistorischen Museum Wien sowie aus einer Privatsammlung in den USA, welche großzügigerweise die Arbeit "Wanze" für die Ausstellung als Leihgabe zur Verfügung stellt. Dabei handelt es sich um Ed Ruschas einziges Werk mit einem Titel in deutscher Sprache; es entstand als Geschenk für jemanden, den er im Jahr 1961 in Österreich kennengelernt hatte.

Die Schau stellt den Beginn einer neuen Reihe von Ausstellungen dar, die aus Werken des Kunsthistorischen Museums zusammengestellt und von international renommierten KünstlerInnen kuratiert werden. Das Konzept zu dieser Reihe wurde von Jasper Sharp entwickelt, Kurator für moderne und zeitgenössische Kunst im Kunsthistorischen Museum.

Ed Ruscha zählt zu den bedeutendsten und einflussreichsten Künstlern unserer Zeit. 1937 in Omaha, Nebraska, geboren, übersiedelte er 1941 nach Oklahoma City und 1956 nach Los Angeles, um dort am Chouinard Art Institute zu studieren. Er beteiligte sich an der wegweisenden Ausstellung "New Painting of Common Objects", die 1962 im Pasadena Museum of Art stattfand – es war dies die erste Ausstellung in einem Museum, die einen Überblick über die amerikanische Pop Art vermittelte. 1963 hatte er in der Ferus Gallery in Los Angeles seine erste Einzelausstellung. Anfang der Siebzigerjahre begann er seine Arbeiten in der Leo Castelli Gallery in New York zu zeigen.

Konsequent hat Ruscha die Stadtlandschaft von Los Angeles mit Alltagssprache verbunden, um eine spezifische urbane Erfahrung zu vermitteln. Das Fotografien, Zeichnungen, Gemälde und Künstlerbücher umfassende Werk hält der Banalität städtischen Lebens den Spiegel vor und ordnet die Flut der von den Massenmedien verbreiteten Bilder und Informationen, der wir uns Tag für Tag ausgesetzt sehen. Ruschas frühe Tätigkeit als Grafiker hat auch heute noch bestimmenden Einfluss auf den ästhetischen und thematischen Zugang des Künstlers.

Ruschas Werk war Thema zahlreicher Museumsausstellungen, die auf der ganzen Welt gezeigt wurden, vom San Francisco Museum of Modern Art im Jahr 1982 über das Centre Georges Pompidou 1989 bis zum Hirshhorn Museum and Sculpture Garden 2000. 2001 wurde Ruscha als Mitglied der Kunstsektion in die American Academy of Arts and Letters berufen. The Whitney Museum of American Art präsentierte 2004 gleichzeitig zwei Ausstellungen, die Schau "Cotton Puffs, Q-tips®, Smoke and Mirrors: The Drawings of Ed Ruscha", die anschließend im Museum of Contemporary Art Los Angeles und in der National Gallery of Artin Washington, D.C., gezeigt wurde, sowie "Ed Ruscha and Photography". Im folgenden Jahr wurde Ruscha auserwählt, die Vereinigten Staaten bei der 51. Biennale in Venedig zu vertreten.

2009 zeigte die Hayward Gallery in London "Ed Ruscha: Fifty Years of Painting", eine den Gemälden des Künstlers gewidmete Retrospektive, die 2010 im Haus der Kunst in München und im Moderna Museet in Stockholm zu sehen war. Die Ausstellung im Kunsthistorischen Museum ist parallel zu einer monographischen Ruscha-Werkschau mit dem Titel "Reading Ed Ruscha" im Kunsthaus Bregenz zu sehen, die im Juli 2012 eröffnet wurde und noch bis 14. Oktober 2012 zu sehen ist. Beide Ausstellungen zeigen zum ersten Mal Werke Ed Ruschas in Österreich, die Schau im Kunsthistorischen Museum ist dabei seine erste Ausstellung in Wien überhaupt. Sie begleitend erscheinen ein gemeinsam mit dem Künstler gestalteter illustrierter Katalog sowie ein eigens für das Kunsthistorische Museum Wien produzierter Druck in limitierter Auflage.

The Ancients Stole All Our Great Ideas
25. September bis 2. Dezember 2012