Das Kunsthaus Zürich zeigt das grafische Werk des Schweizer Künstlers Albert Welti im Dialog mit anderen Vertretern der phantastischen Druckgrafik.
Als der grosse "Unzeitgemässe" ist Albert Welti (1862 - 1912) in die Schweizer Kunstgeschichte eingegangen. Als entschiedener Kritiker des Impressionismus, der zur gleichen Zeit seine ersten Erfolge feierte, orientierte er sich lieber an Vorbildern wie den altdeutschen Meistern und zollte seinem einstigen Lehrer Arnold Böcklin auch noch in späteren Jahren den grössten Respekt. Für die Qualitäten mancher künstlerischer Neuerer war er aber keineswegs blind. Die Verehrung vergangener Epochenstile ist in Weltis Malerei unverkennbar, doch wäre es falsch, sein Werk als epigonal zu bezeichnen. Dazu ist seine Kunst viel zu sehr von jener Eigenwilligkeit und Unverwechselbarkeit geprägt, die bis heute nichts von ihrer Anziehungskraft verloren hat.
Während Welti vor allem als Maler in Erinnerung geblieben ist, wurde sein druckgrafisches Werk bisher nur wenig beachtet. Dabei ist es reich an phantasievollen, ja kühnen Bildeinfällen. In einer Kritik von 1926 wird diese Seite des Künstlers noch alles andere als positiv bewertet: "Die spitze Radiernadel hat Welti [...] zu krausen Gebilden verführt. Hier war er vor den verworrenen Abenteuern seiner Phantasie und den allegorischen Irrfahrten nicht so sicher wie im gemalten Bild".
Diese Feststellung scheint kaum haltbar, wenn man sich auf den Phantasten Welti einlässt und sich der Fülle seiner Radierungen zuwendet, die zudem alle Formate umfassen: von der Gelegenheitsgrafik bis zum repräsentativen Großformat, von der Größe XS bis XL. Die Arbeiten erscheinen dabei nicht als "verworrene Abenteuer" oder "Irrfahrten", sondern als Schatzkammern der Phantasie mit konkreten kunsthistorischen Bezügen. Weggefährten im Geiste wie Francisco de Goya, Giovanni Battista Piranesi oder Max Klinger haben hier zweifellos inspirierend gewirkt. Und auch der Einfluss von Weltis Lehrer Böcklin muss geltend gemacht werden, war es doch gerade dieser, der ihn von der Grafik abzubringen suchte und den Standpunkt vertrat: "Malen soll man!"
Das sollte Welti aber nicht davon abhalten, sich intensiv mit der Druckgrafik zu beschäftigen, zumal diesem Medium auch eine ausgleichende Funktion zukam: So erlaubte sich Welti in der Radierung, wie sich sein Sohn erinnerte, "ausfällig zu werden, wenn ihn die Galle plagte". Mehr noch: Die Grafik diente ihm als eine Art Ventil, wenn ihn offizielle Aufträge bedrängten oder zu sehr anstrengten. Entsprechend ungestüm fuhr er mit der Radiernadel über die Druckplatten und ließ seiner Phantasie freien Lauf. Selbst in den kleinsten Gelegenheitsarbeiten, seien es Einladungskarten, Ex Libris-Blätter oder Neujahrskarten, wimmelt es von Spukgestalten und Skurrilitäten.
Was selten fehlt, ist Weltis beißender Humor. Selbst in einem Meisterblatt wie Weltis "Reise ins 20. Jahrhundert", dessen Düsternis ein Goya nicht eindrucksvoller hätte inszenieren können, bricht sich die pessimistische Sicht auf das gesellschaftliche Treiben mit viel Sarkasmus Bahn. Phantastik und Bildwitz - in Weltis Grafiken zeigen sich diese bildbestimmenden Faktoren als zwei Seiten ein und derselben Medaille.
Albert Welti und die Grafik des Phantastischen
bis 9. Februar 2025