Albert Renger-Patzsch zum 111. Geburtstag

Kurt Tucholsky bezeichnete ihn als seinen "Lieblingsphotographen" und für Thomas Mann war er ein "Kamera-Virtuose", ein "Sucher und Finder voller Entdeckerlust des Auges, den Erscheinungen mit jener exakten Liebe und energischen Zartheit zugetan, die nur das Künstlerherz kennt". Beiden Literaten lag ein frisch erschienenes Buch von Albert Renger-Patzsch vor, das unter dem affirmativen Titel "Die Welt ist schön" (1928) einhundert Fotografien verschiedenster Sujets in sich versammelte: Pflanzen, Tiere, Menschen, Natur- und Kulturlandschaften, handwerkliche und industrielle Produkte, Architekturen, technische Apparate, Maschinendetails.

Mit diesem Fotobuch wurde Renger-Patzsch zum Begründer der "Neuen Fotografie", zum Protagonisten eines "neusachlichen" Stils. Bereits ein Jahr zuvor, 1927, hatte er in der Jahresschau "Das deutsche Lichtbild" sein künstlerisches Credo formuliert: "Die Photographie hat ihre eigene Technik und ihre eigenen Mittel. Mit diesen Mitteln Effekte erzielen zu wollen, wie sie der Malerei gegeben sind, bringt den Photographen in Konflikt mit der Wahrhaftigkeit und Eindeutigkeit seiner Mittel, seines Materials, seiner Technik. (...) Das Geheimnis einer guten Photographie, die künstlerische Qualitäten wie ein Werk der bildenden Kunst besitzen kann, beruht in ihrem Realismus."

Auf den Bildband "Die Welt ist schön" – der, wäre es nach Renger-Patzsch und nicht nach seinem Verleger gegangen, "Die Dinge" geheißen hätte – folgten rasch weitere Bücher, die seinen Namen berühmt machten und seinen Stil durchsetzten, so 1929 "Norddeutsche Bachsteindome" und "Dresden", 1930 "Eisen und Stahl", "Das Münster in Essen" und "Hamburg", 1939/40 "Deutsche Wasserburgen" und "Das silberne Erzgebirge".

1933 wurde Renger-Patzsch als Lehrer an die Folkwangschule in Essen berufen, schied dort aber aus eigenem Entschluß nach zwei Semestern wieder aus. In den folgenden Jahren arbeitete er vielfach für Industrieunternehmen, etwa für Pelikan, Jenaer Glaswerk Schott, Krupp, Faguswerke u.a.m. 1944 wird ein großer Teil seines Archivs bei einem Bombenangriff vernichtet, woraufhin Renger-Patzsch nach Wamel bei Soest übersiedelt. Einige der bedeutendsten Ergebnisse seiner zweiten Schaffensperiode, das heißt der 1950er und 1960er Jahre, sind in sieben großformatigen Bildbänden zusammengefaßt, darunter "Bäume" (1962) und "Gestein" (1966) – zwei außergewöhnliche Bücher, deren hohe Qualität in Druck und Ausstattung sich dem finanziellen Engagement des Industriellen Ernst Boehringer verdankt.

In seinem letzten Lebensjahrzehnt erhielt Renger-Patzsch nationale und internationale Auszeichnungen: die Hill-Medaille der Gesellschaft Deutscher Lichtbildner, die Goldmedaille auf der Biennale in Venedig, die Goldmedaille der Fotografischen Gesellschaft in Wien, den vom Lande Nordrhein-Westfalen gestifteten Staatspreis des Kunsthandwerks u.a. Nach seinem Tod 1966 gelangten größere Teile seines Nachlasses in das Archiv Ann und Jürgen Wilde, Zülpich, sowie, was insbesondere die Korrespondenz betrifft, in das New Yorker Paul-Getty-Museum.


Albert Renger-Patzsch
14. Juni bis 10. August 2008