Affichomanie. Toulouse-Lautrec und das Plakat um 1900

Im Frühjahr steht das Museum der Moderne Salzburg auf dem Mönchsberg im Zeichen der Plakatkultur und ihres Meisters Henri de Toulouse-Lautrec. Auf der Ausstellungsebene [3] werden über hundert Werke gezeigt, von Entwurfszeichnungen und Farblithografien in Magazinen bis hin zu großformatigen Plakaten. Die Exponate stammen von sechzig Künstlern, darunter Henri de Toulouse-Lautrec, Jules Chéret, Théophile-Alexandre Steinlen, Alfons Mucha, Franz Marc, Gustav Klimt, Franz von Stuck, Egon Schiele und Oskar Kokoschka.

Als "Galerie der Straße" adressierten Plakate ein breites Publikum und erweiterten den öffentlichen Raum für Kunst. Die visuelle Intensität der Kunstplakate aus der Zeit um 1900 hat bis heute nichts von ihrer Strahlkraft eingebüßt und spiegelt sich wieder in einer ungebrochenen Begeisterung für diese Werke.

Um 1900 galt das Plakat nicht nur als wirksames Werbemittel, sondern längst auch als neue Kunstform. Die Entstehung zahlreicher Plakatkunst-Vereine zeugte von der "affichomanie", dem Plakatwahn, der zu dieser Zeit um sich griff. Künstler entwarfen Plakate als Werbung für Produkte jeglicher Art: von Kaffee, Tabak und Automobilen über Ausstellungen bis hin zu Zeitschriften und Veranstaltungen in Kabaretts. Essenziell für die werbliche Wirksamkeit der Plakate auf der Straße waren ihre Fernwirkung und schnelle Erfassbarkeit. Der wohl bekannteste Meister dieser Kunst war Henri de Toulouse-Lautrec, der – inspiriert von japanischen Holzschnitten sowie von Künstlern wie Edgar Degas und Édouard Manet – seine Motive mit einfachen Linien, Abschneidungen und ungewohnten Perspektiven wirksam gestaltete.

Das Plakat hatte in den 1860er-Jahren in Frankreich erste Erfolge gefeiert. Diese Entwicklung erreichte etwa 30 Jahre später ihren Höhepunkt. Während das französische Plakat für seine Freizügigkeit bekannt war, griffen Künstler wie Alfons Mucha und Gustav Klimt auf antike Vorbilder zurück, um ihre Werbeplakate zu gestalten. Mit der Entstehung von Zeitschriften wie Pan, Jugend und Simplicissimus entwickelten sich auch in der Plakatkunst neue Stilformen – vom ornamentalen Jugendstil bis hin zu Satire und Karikatur. Wunschbilder der breiten Masse wurden bedient, indem Luxusgüter wie das Automobil beworben und die Schönen und Reichen als Werbeträger eingesetzt wurden. Beliebte Werbefiguren waren etwa der Dandy und die elegante Dame der Gesellschaft.

In Österreich wie in Deutschland entstanden zunächst vor allem Ausstellungsplakate; die zahlreichen Plakatentwürfe für die Wiener Secession zeugen davon. Mit den Plakatgestaltungen Oskar Kokoschkas und Egon Schieles fand der Expressionismus Eingang in diese Kunstform; berühmt ist etwa Kokoschkas Plakat von 1910 für die expressionistische Zeitschrift "Der Sturm", auf dem er sich selber provokativ mit kahlem Schädel und nackt mit Schmerzensmanns-Gestus darstellte. Gleichzeitig entwickelte sich in Deutschland das Sachplakat, bei dem das Produkt im Vordergrund stand. Hier ersetzte die Zweckmäßigkeit der Werbung den künstlerischen Anspruch. Nach dem Ersten Weltkrieg wurden Plakatentwürfe zunehmend die Domäne von Werbefachleuten und kaum noch von Künstlern. Die Wirksamkeit der bildnerischen Gestaltung blieb jedoch essenziell für die Funktion der Plakate als das Werbemittel der großen Masse par excellence.


Affichomanie. Toulouse-Lautrec und das Plakat um 1900
12. März bis 10. Juli 2016