Ästhetik und Bildsprache der Protestkultur

Im Bildraum Bodensee wird "Riot Design" von Pablo Chiereghin zusammen mit Karin Fisslthalers künstlerischen Beitrag "Times" präsentiert.

Karin Fisslthaler, bildende Künstlerin, Video- und Filmemacherin sowie elektronische Musikerin, setzt sich in "Times" mit der visuellen Codierung und medialen Vermittlung kollektiver und individueller Realitäten auseinander. Ausgangsmaterial ihrer monumentalen, neun Meter langen Collage sind Abbildungen aus der "New York Times International" und der "Times Sunday Edition", die von der Künstlerin in einem aufwändigen, manuellen Öl-Transfer-Verfahren auf Papier übertragen wurden.

Fisslthalers Umgang mit Erinnerung und Zeit wird zur Metapher für die Mechanismen medialer Bilder: Das Sehen ist immer vermittelt, die Wirklichkeit immer schon durch die Linse der Berichterstattung - oder in diesem Fall der künstlerischen Auswahl - gefiltert. Karin Fisslthaler verwebt Bildfragmente zu dichten Strukturen, in denen das Flüchtige das Dokumentarische durchdringt und die Mechanismen des Sichtbaren neu zur Disposition gestellt werden.

In der Serie "Our Arms won't get tired", die in Ausschnitten ebenfalls im Bildraum Bodensee zu sehen ist, setzt sich die Künstlerin mit der Ästhetik und Bildsprache globaler Protestkulturen auseinander - vom "Women`s March against Donald Trump" 2017 in Washington DC über die Demonstrationen in Frankreich zur Unterstützung von Gisèle Pelicot bis hin zu den seit Jahrzehnten weltweit stattfindenden Protesten gegen Gewalt an Frauen unter dem Motto "Reclaim the Nigh/Take back the Night". In Karin Fisslthalers Arbeiten schwingt auch die Frage nach der Kraft dieser Bilder mit: Wie lange hält ihr Widerstand an, bevor sie in der medialen Flut untergehen?

Nach der Ausstellung im Tresor des Bank Austria Kunstforum Wien setzt der Konzeptkünstler Pablo Chiereghin mit "Riot Design" nun auch im Bildraum Bodensee auf die transformative Kraft der Zerstörung. In einer multimedialen Synthese aus Konzeptkunst, Video, Skulptur und kritischem Design inszeniert er Gewalt in kalkulierter Choreografie. Inspiriert von urbanen Protesten - von Seattle 1999, Griechenland 2008, Hongkong 2019 und "Black Lives Matter" 2020 - greift Chiereghin auf Werkzeuge der Revolte zurück: Mit Pflastersteinen, Ketten und Hämmern zertrümmert er Möbel und Alltagsgegenstände, um sie neu zusammenzusetzen.

Wertzuschreibungen und Warenkreisläufe werden in "Riot Design" nicht nur hinterfragt, sondern im Material selbst verhandelt. Die Befreiung von Besitz, das "Disowning", steht im Zentrum des Projekts, mit dem Pablo Chiereghin eine radikale Reflexion über eine Gesellschaft zwischen Konsumzwang und Zerstörungswut unternimmt. In einer Zeit, in der das Leiden der Schwächsten kaum noch Empörung hervorruft und Gewalt als Herrschaftsgeste manifestiert wird - ausgeführt durch systematische Unterdrückung und militärische Invasionen - reagiert Chiereghin mit subversivem Widerstand gegen das Streben nach Bereicherung und die Illusion grenzenlosen Wachstums.

Gleichzeitig verweist er auf die Mechanismen des Kunstmarktes, nach denen sich Wert nicht aus Material oder Funktion, sondern aus Kontext und Autorschaft ergibt. Chiereghin treibt dieses Prinzip auf die Spitze: Was als industriell gefertigtes Massenprodukt beginnt, kehrt als Unikat zurück. Industriefarben, Harze, Schäume - Materialien, die sonst verborgen bleiben - erscheinen als sichtbare Spuren einer Zerstörung, die zugleich Schöpfung ist. Zwischen Kritik und Komplizenschaft bewegt sich Chiereghins künstlerische Praxis erneut im Spannungsfeld von Kunst und Markt - und entfaltet gerade darin ihre Sprengkraft.

Karin Fisslthaler wurde 1981 Oberndorf bei Salzburg geboren. Sie studierte experimentelle Gestaltung und künstlerische Forschung an der Kunstuniversität Linz. Sie lebt und arbeitet in Wien.

Pablo Chiereghin wurde 1977 in Adria, Italien, geboren. Er studierte Kommunikationswissenschaft in Bologna sowie Fotografie am Central St. Martins, University of Arts, in London. Er lebt und arbeitet in Wien.

Karin Fisslthaler - Times
Pablo Chiereghin - Riot Design
17. April bis 4. Juni 2025
Kuratiert von Esther Hladik

Eröffnung: Mittwoch, 16. April, 19 Uhr
Zur Ausstellung: Judith Reichart, Leiterin Kulturservice der Stadt Bregenz

Öffnungszeiten: Di, Do 13–18 Uhr | Fr, Sa 11–16 Uhr