69. Berlinale: Ekliges und Feinsinniges

Fatih Akin schickt den Zuschauer in "Der goldene Handschuh" auf einen schwer zu ertragenden Höllentrip. Eine feine Satire gelang dagegen der Makedonierin Teona Stugar Mitevski, die in "God Exists and Her Name Is Petrunija" eine selbstbewusste Frau gegen die Männerherrschaft und mittelalterliche Strukturen in ihrem Heimatland aufbegehren lässt.

Schon die erste Einstellung in Fatih Akins Verfilmung von Heinz Strunks Roman "Der goldene Handschuh" löst beim Zuschauer mit dem Blick in eine versiffte Wohnung mit Bildern von nackten Frauen und einer im Hintergrund nur halb bekleideten Frau auf einem Bett ein unangenehmes Gefühl aus. 15 Minuten wird kein Wort gesprochen werden, wenn der Protagonist die Frauenleiche verschnürt, sie in einen Plastiksack verpackt und über die Treppe zu entsorgen versucht. Als er dabei gestört wird, schleppt er die Leiche wieder in seine Dachwohnung und holt einen Fuchsschwanz aus dem Nebenzimmer.

Schon setzt er die Säge am Hals der Ermordeten an, braucht dann aber doch einen Schnaps, bevor er zur Tat schreitet. Die Kamera blickt dabei dann zwar auf die Beine, aber man hört das Geräusch zersplitternder Knochen. – Ein Insert verankert die Tat im Hamburg des Jahres 1970, Zeitungsschlagzeilen berichten vom Frauenmord, ehe die Haupthandlung wiederum mit einem Insert 1974 einsetzt.

Die Wohnung Honkas, bei der ein Blick in die Toilette Brechreiz hervorrufen kann, sowie das Gasthaus "Zum Goldenen Handschuh", in dem der schwere Alkoholiker seine Opfer kennenlernte, sind die Hauptschauplätze des Films. Das Gasthaus löst dabei mit den vom Leben schwer gezeichneten Damen oder Stammgästen wie SS-Norbert, der auch einmal einen jungen Gast in der Toilette gezielt voll uriniert, kaum weniger ein Gefühl des Unbehagens aus wie Honkas Wohnung.

Akin suhlt sich förmlich im Dreck, Alkohol, Urin und Blut und streut dazwischen auch ein paar klassische Horrormomente ein. Hyperrealistisch wird dieses Milieu geschildert und dessen Typen gezeichnet. Zu plastischen Charakteren werden sie aber kaum entwickelt, auch in die Psyche des von Jonas Dassler mit großem Körpereinsatz, aber auch überzogen gespielten Protagonisten, der teilweise wie der Glöckner von Notre Dame durch den Film schwankt, bekommt man kaum Einblick.

Noch drei Frauenmorde wird er 1974 begehen, wird dabei unter anderem einem Opfer den Kopf so lange auf den Tisch schlagen, bis das Blut spritzt. – Schwer zu ertragen ist dieser Film in der Konzentration auf die Welt des Mörders. Nur kurze Szenen zur Geschichte einer Schülerin, für die Honka seit dem ersten Anblick schwärmt, kontrastieren diese Hölle – sowie kitschige Schlager aus den 1970erJahren. Zum Gesellschaftsbild taugt "Der goldene Handschuh" aber in dieser engen Perspektive nicht und unklar bleibt bis zum Schluss, was Akin an dieser Geschichte interessiert hat.

Leichtere Kost bot da schon Teona Strugar Mitevski mit "God Exists and Her Name Is Petrunija". Im Mittelpunkt steht die arbeitslose 32-jährige Historikerin Petrunija. Mehr zufällig als gezielt gerät sie in eine orthodoxe Zeremonie, bei der Männer am Dreikönigstag in einem eiskalten Fluss nach einem Holzkreuz tauchen. Spontan springt Petrunija auch hinein und erwischt zum Entsetzen der Männer als erste das Kreuz. Man will es ihr entreißen, doch sie entkommt, wird aber bald von Polizisten aufs Revier gebracht, während eine TV-Journalistin groß über die Sache und die Benachteiligung der Frauen in Makedonien berichten will.

So entwickelt sich eine geschickt aufgebaute, mehr vom Drehbuch als der Inszenierung lebende bissige Satire auf die machistischen makedonischen Männer, die sich bald tobend vor dem Polizeirevier versammeln, aber auch auf die Rolle der Kirche und der Behörden. Die selbstbewusste Petrunija, für die mehr die Chinesische Revolution als Alexander der Große ein Vorbild ist, lässt sich dadurch aber nicht aus der Ruhe bringen und bietet den Gegnern unerschrocken die Stirn. – Ein Bärenfavorit ist das zwar kaum, aber eine feinsinnige Satire, der man nicht nur aufgrund ihrer starken und von Zorica Nusheva stark gespielten Protagonistin gerne folgt.