65. Internationales Filmfestival Mannheim-Heidelberg

Nach der Verschiebung in den Oktober im letzten Jahr findet das Internationale Filmfestival Mannheim-Heidelberg (10. bis 20. November 2016) heuer wieder wie gewohnt im November statt. 40 Filme umfasst das Programm, Déjà-vus wird man hier nicht erleben, kann dafür bei der handverlesenen Auswahl sicherlich einige Entdeckungen machen.

Große Namen finden sich im Wettbewerb des Filmfestivals von Mannheim-Heidelberg nicht. Nur Newcomer, die bestenfalls in ihrem Heimatland bekannt sind, werden zugelassen, Filme die im Wettbewerb eines der großen europäischen Filmfestivals oder einem deutschen Filmfestival schon liefen, sind ebenfalls ausgeschlossen. Mannheim-Heidelberg feiert nicht große Regisseure, sondern fungiert als Sprungbrett für Debütanten.

Während andere Festivals immer mehr Sektionen schaffen, beschränkt sich dieses Festival auf gerade einmal vier Schienen, doch dafür sind diese umfangreicher. So konkurrieren 19 Filme um den "Grand Newcomer Award Mannheim-Heidelberg". Wie beim Linzer Filmfestival Crossing Europe sind die Filme handverlesen, überlegt aus 1000 Einreichungen ausgewählt.

Eröffnet wird das Festival mit Serge Avedikians "Lost in Armenia", in dem ein älterer Schauspieler nach einem verpassten Flug durch das ländliche Armenien irrt. Groß ist nicht nur die geographische Bandbreite der Filme, die aus den USA ebenso wie aus dem Iran, aus Argentinien oder Estland kommen, sondern auch die formale. So legt die Belgierin Annick Ghijzelings mit "27 Times Time" einen Essay über die Zeit vor, während die Iranerin Nahid Hassanzadeh in "Another Time" anhand des Leidenswegs einer jungen Mutter auf die patriarchale Gesellschaft ihres Heimatlandes blickt.

Der gebürtige Italiener Valerio Esposito erzählt dagegen in dem im Südwesten der USA spielenden "Calico Skies" mit den Mitteln des Gangsterkinos von einem einsamen Mann, dem sein Leben abhanden kommt. Im Mittelpunkt von "In View" des Iren Ciaran Creagh steht eine 45-jährige Polizistin, die sich das Leben nehmen will. Der Argentinier Sebastián Borensztein wiederum legt mit "Koblic" einen Western aus der Zeit der Militärjunta der 1970er Jahre vor, aber mit "Rejkjavik" von Ásgrímur Sverrisson fehlt auch eine typisch isländische Komödie nicht.

Ins viktorianische Amerika des 19. Jahrhunderts entführt Erica Fae, die in ihrem Debüt "To Keep the Light" von einer Leuchtturmwärterin erzählt, während Çigdem Sezgin in "Wedding Dance" einen Einblick in die Türkei von heute bietet. Der Spanier Jonathan Cenzual Burley wiederum begleitet in "The Shepherd" einen Hirten auf seinen Wegen und kontrastiert dessen Leben mit der modernen Welt.

So multikulturell die Stadt Mannheim ist, in der 150 Nationen zusammenleben, so vielfältig ist auch das Programm des Wettbewerbs. Entdeckungen kann man aber nicht nur in dieser Programmschiene machen. In der Sparte "International Newcomer Discoveries" beispielsweise blickt Vladimir Kozlov in "Anomie" auf das Leben junger Menschen in einer russischen Provinzstadt, während die Westschweizerin Paule Muret in "For This Is My Body" das Porträt eines ausgebrannten Rockstars zeichnet.

Etwas bekanntere Namen finden sich in der Sparte "International Independent Cinema". Hier zeigt unter anderem Paolo Virzi seine von den zwei furios aufspielenden Hauptdarstellerinnen Valeria Bruni-Tedeschi und Micaela Ramazzotti getragene Komödie "La pazza gioia" und Ruxandra Zenide blickt in "The Miracle of Tekir" auf die archaische Kultur im rumänischen Donau-Delta.

Wie gewohnt fehlt auch eine Schiene für Kinder nicht. Hier spannt sich der Bogen von einer Kurzfilmrolle mit Trickfilmen über den in Thailand spielenden "Der Büfflereiter" (Regie: Joel Soisson) bis zu Grethe Bøe-Waals "Operation Arktis", in dem sich drei Kinder allein auf einer menschenleeren Insel in der Arktis durchschlagen müssen.

Alles, nur nicht gewöhnlich klingt dieses Programm vom Papier her. Nicht jeder Film wird vielleicht die Erwartungen, die das Programmheft weckt, erfüllen, aber einige großartige Entdeckungen wird man in Mannheim-Heidelberg sicher wieder machen können.