62. Filmfestival von San Sebastian
Mit neuen Filmen von Christian Petzold, François Ozon, Cédric Kahn, Susanne Bier und Michael Sturminger ist das Line-up des 62. Filmfestivals von San Sebastian/Donostia (19. – 27.9.) vielversprechend. Attraktiv sind aber auch die anderen Programmschienen mit Festival-Highlights des Jahres oder Retrospektiven des neuen osteuropäischen Kinos und der amerikanischen Regisseurin Dorothy Arzner.
Eröffnet wird das heurige Festival in der traumhaft an einer Bucht des Golfs von Biskaya gelegenen knapp 200.000 Einwohner zählenden baskischen Stadt mit der Europa-Premiere von Antoine Fuquas "The Equalizer". Anlässlich der Präsentation des Films wird Denzel Washington, der in diesem Thriller einen ehemaligen Agenten eines Spezialkommandos spielt, der versucht sich eine neue Identität aufzubauen, den Donostia Lifetime Achievement Award erhalten.
Wie der Eröffnungsfilm läuft auch der Abschlussfilm "Samba" außer Konkurrenz. Im Nachfolgefilm zu ihrem Kassenschlager "Ziemlich beste Freunde" erzählen Eric Toledano und Olivier Nakache von einem Senegalesen, der seit zehn Jahren in Frankreich lebt.
Wie diese beiden Filme übernimmt San Sebastian auch mehrere Wettbewerbsfilme vom kurz zuvor stattfindenden Toronto International Film Festival. Für Chrisitan Petzolds "Phoenix" gilt das ebenso wie für Susanne Biers "A Second Chance", Mia Hansen-Løves "Eden" oder Michaël R. Roskams "The Drop".
Die Hauptrolle in Petzolds Film, an dessen Drehbuch noch der am 30. Juli verstorbene Harun Farocki mitarbeitete, spielt wiederum Nina Hoss. Nach der DDR-Geschichte "Barbara" blickt Petzold nun auf Deutschland im Jahre 1945 und erzählt von einer Auschwitz-Überlebenden, die sich auf die Suche nach ihrem Mann macht.
Susanne Bier dürfte nach dem komödiantischen "Love Is All You Need" mit "A Second Chance", zu dem wiederum Anders Thomas Jensen das Drehbuch geschrieben hat, an ihr mit dem Oscar gekröntes Drama "In a Better World" anknüpfen. Wie in diesem Erfolgsfilm verhandelt die Dänin auch hier moralische Fragen, dieses Mal anhand der Geschichte eines Polizisten und seiner jungen Familie.
Während Mia Hansen-Løve in "Eden" mit einem jungen DJ in die Szene der House-Musik im Frankreich der 90er Jahre eintaucht, verarbeitet Cédric Kahn – wie vor kurzem Jean Denizot in "La belle vie" – in "Vie sauvage" den wahren Fall eines Vaters, der seine beiden Söhne entführte und mehrere Jahre mit ihnen heimlich in den französischen Wäldern lebte.
Gespannt sein darf man auf Michaël R. Roskams Hollywooddebüt "The Drop", in dem wie schon in Roskams kraftvollem Debüt "Bullhead" der physisch immer ungemein präsente Matthias Schoenaert die Hauptrolle spielt. Wie diese Dennis Lehane-Verfilmung könnte auch "Haemoo", in dem der Koreaner Shim Sung-Bo von Fischern erzählt, die versuchen eine Gruppe illegaler Immigranten von China nach Südkorea zu schmuggeln, packendes Kino bieten.
In die Geschichte taucht dagegen Michael Sturminger ein, der in dem Musikfilm "Casanova Variations" John Malkovich in der Rolle des großen Liebhabers auf sein Leben zurückblicken lässt. Weitere Konkurrenten im Rennen um die Goldene Muschel sind unter anderem François Ozon, der "Une nouvelle amie" ins Rennen schickt, und Oscar-Preisträger Bille August, der sich in dem Familiendrama "Silent Heart" mit dem Thema "Sterbehilfe" auseinandersetzt.
Dazu kommt das mit Alberto Rodríguez´ Thriller "La isla mínima", Carlos Vermuts "Magical Girl", eine Geschichte sich kreuzender Schicksale, Jon Garanos und Jose Mari Goenagas "Loreak", und Gabe Ibánez´ futuristischem Thriller "Autómata" gewohnt stark vertretene Gastgeberland, sowie aus Argentinien Anahi Berneris Beziehungsgeschichte "Aire Libre", aus Chile Cristián Jiménez´ Frauenportrait "La voz en off", aus Kanada Maxime Grioux´ Liebesgeschichte "Félix et Meira" und Danis Tanovic´ in Indien spielender "Tigers".
Raum für Entdeckungen bieten die 13 Filme von Newcomern, die um den "Kuxta New Directors Award" konkurrieren, darunter auch aus der Schweiz Simon Jaquemets "Chrieg" und aus Deutschland Anna Sofie Hartmanns "Limbo".
Hochkarätiges am Fließband bietet die Sparte "Pearls", in der die Festivalerfolge des Jahres gezeigt werden. Der Bogen spannt sich hier vom Berlinale-Sieger "Black Coal, Thin Ice" bis über Xavier Dolans "Mommy", Abel Ferraras "Pasolini" und Naomi Kawases "Still the Water" bis zum Cannes-Gewinner "Winter Sleep", aber auch medial nicht ganz so stark beachtete Filme wie Céline Sciammas "Bande de Filles" oder Isao Takahatas Animationsfilm "The Story of Princess Kaguya" fehlen hier nicht.
Action wird dagegen groß geschrieben in der Programmschiene "Savage Cinema", die zum zweiten Mal in Zusammenarbeit mit dem "Red Bull Media House" veranstaltet wird und Extremsportabenteuer ins Kino bringt. Gegenpol dazu sind wiederum die beiden Retrospektiven. Während die biographische Retrospektive die 1979 verstorbene Dorothy Arzner würdigt, die eine der ganz wenigen Regisseurinnen im klassischen Hollywood-Kino war, bietet die thematische Retrospektive unter dem Titel "Eastern Promises. Autobiography of Eastern Europe" mit 50 Filmen einen Überblick über das osteuropäische Filmschaffen seit der Jahrtausendwende.
A - E - 20004 Donostia-San Sebastián (Spain)
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