50 Jahre Kulturkreis Feldkirch / 45 Jahre Theater am Saumarkt

1972 hat eine Gruppe Kulturtätiger in Feldkirch den Kulturkreis Feldkirch gegründet. Im Mittelpunkt ihrer Kulturarbeit steht Theater, Kabarett und Literatur. Für jede einzelne Veranstaltung müssen sie sich auf die Suche nach geeigneten Räumlichkeiten machen. Aber nach fünf Jahren, 1978, finden sie endlich eine geeignete Bleibe mitten in der Stadt, die Werkstatt der Spenglerei Härtenberger, die nun eigenhändig umgebaut, bemalt und bestuhlt wird. So entsteht das heutige Theater am Saumarkt.

Der Trägerverein des Saumarkts ist aber nach wie vor der Kulturkreis Feldkirch, dessen Vorstandsmitglieder ehrenamtlich die Kulturarbeit vor Ort mit Liebe und Engagement gestalten.

Hans Schreiber von der Kulturplattform Oberösterreich versucht 2007 im Positionspapier „Freie Kulturarbeit“1 - eine Definition von Kulturarbeit: Sie ist selbstbestimmt, offen für Neues, sucht den Dialog, ist in Bewegung, demokratiepolitisch und gesellschaftsverändern, partizipativ, stellt dem passiven Konsumieren aktive Teilnahme entgegen und erzeugt Nachhaltigkeit.

Diese Form von Kulturarbeit wird in den 1970er Jahren „erfunden“. Der vorherrschende Zeitgeist hinterlässt seine Spuren auch in einem emanzipatorischen Kulturbegriff. Engagierte, kulturbegeisterte Menschen wünschen sich eine Begegnung mit „ihrer“ Kunst. Kulturinitiativen werden gegründet und Kulturarbeit wird geleistet.

Karl Marx verfasst als junger Mann die „Ökonomisch-politischen Manuskripte“, in denen er sich mit der Frage von Arbeit und Entfremdung beschäftigt. Er stellt vier Formen der Entfremdung des Menschen von der Arbeit fest: kein Bezug zum Produkt, zum Arbeitsprozess, zu sich selbst, zu den anderen Menschen.

Nach Marx gilt Kulturarbeit also definitiv nicht als entfremdete Arbeit.
Mitbestimmung und Autonomie, Kreativität und Wirksamkeit sind elementare Charakteristika von Kulturarbeit. Kann also Kulturarbeit ein Modell für eine sinnstiftende menschliche Beschäftigung in Gegenwart und Zukunft sein?

Kulturarbeit, ehrenamtlich

Die Kulturarbeit mit einem kleinen organisatorischen Team und vielen ehrenamtlichen Programmgruppenmitgliedern ist aktuell stolze 50 Jahre alt. Die gemeinsame Beschäftigung mit zeitgenössischer Kunst und Kultur und die quasi basisdemokratische Bespielung des Saumarkts führt zu kulturellen Höhenflügen wie aufbrechenden Konflikten. Aber bis heute gibt es eine sehr engagierte Gruppe von Menschen, die den Saumarkt mit viel Begeisterung und Engagement bespielen.

"Nur wer sich für etwas begeistern konnte, hat sich ihr verschrieben. Mir war es ungeheuer wichtig, Menschen für Kunst – vor allem für die Literatur – zu gewinnen, weil ich überzeugt bin, dass sie Menschen verändern kann, wenn sie sich mit ihr auseinandersetzen. Auch dass es ein Team gab, das gemeinsam die Höhen und Tiefen des Kulturkreis durchlebte, spielte eine bedeutende Rolle. Für die Zukunft wünsche ich mir und den Menschen in Feldkirch, dass der Saumarkt weiterhin ein Ort bleibt, an dem Kunst gemacht und erlebt werden kann", bekennt sich Marie-Rose Rodewald-Cerha, Vizeobfrau und Programmgruppe Literatur, zur aktuellen Kulturarbeit.

Neben den inspirierenden Inhalten der Programmgruppen, den Kulturveranstaltungen der Kulturtätigen in der Region und der zum Teil langjährigen Kooperationspartner:innen, den Proben der Theatergruppen und den Kulturprojekten der Schulen sollen auch ein paar außergewöhnliche künstlerische Impulse das Jubiläum nach außen sichtbar machen.

Tag der Kulturarbeit

Am 1. Mai um 10.30 Uhr, am „Tag der Arbeit“ feiern wir den „Tag der Kulturarbeit“ mit der Vorarlberger Band Mose (Thomas Keckeis, Thomas Kuschny, Markus Marte, Karl Müllner, Herbert Walser-Breuß), die Arbeiterlieder nach ihrer eigenen musikalischen Fasson spielen.

Treasure Trove - Kulturarbeit, Spuren im Archiv

Digitales Kunstprojekt von Nadine Hirschauer. Ein umfangreiches Archiv mit Postkarten, Briefen, Rechnungen, Fotos, Texten, u.a. Dokument zeugen von der langjährigen Tätigkeit. Die Materialien befinden sich noch heute in Hängeschränken, die alphabetisch geordnet sind. Längst werden die Organisations- und Bewerbungsunterlagen digital gespeichert, aber diese wunderbaren materialisierten Spuren von Kulturarbeit in Form von Belegen, Dokumenten, künstlerische Arbeiten, Fotografien, Selbstporträts usw. legen Zeugnis ab von einem immateriellen Kulturerbe, mit einer Form von Partizipation der Zivilgesellschaft in dieser Region im Bereich der Kulturvermittlung seit den 1970er Jahren.

Die Künstlerin Nadine Hirschauer erarbeitet einen spannenden Zugang mittels digital aufbereiteter Beiträge wie Fotos, Interviews, Textfragmenten, Gedichten aber vor allem auch Statements von aktiven Saumarkt Mitgliedern, Kulturschaffenden und Menschen im Umfeld.

"witr tua" - Kulturarbeit im Kontext der Nachhaltigkeitsforschung

Milou Gabriel und Johanna Teufel mit Schüler:innen des Gymnasium Schillerstraße

Die Kulturarbeit in den Kulturinitiativen beschäftigt sich mit aktuellen Fragen der Gesellschaft. Das drängendste Thema unserer Zeit ist die Klimakrise.

Milou Gabriel und Johanna Christina Teufel, Abschlussklasse der Universität für Angewandte Kunst (Cross-Disciplinary Strategies) erarbeiten mit den Schüler:innen des Gymnasium Schillerstraße künstlerische Interventionen zu den drängenden Problemen von Klimawandel, Ressourcenknappheit und gesellschaftlicher Ungleichheit. Künstlerische Interventionen eröffnen dialogisch Zugänge für die Schule, das Saumarkt Publikum wie für eine interessierte Öffentlichkeit. Die Projektentwicklung selbst erfolgt partizipativ und demokratisch.

Kulturarbeit, Gegenwart und Zukunft

Die Impulse für die aktuelle Kulturarbeit im Theater am Saumarkt kommen aus der Vergangenheit, sind Kulturerbe in Literatur, Philosophie oder Film, entwickeln sich in der Gegenwart durch die Präsentation zeitgenössischen Kulturschaffens im Theater-, Kindertheater, Musikbereich, weisen in die Zukunft, indem sie permanent neue Inhalte, künstlerische Anregungen, neue Formate, aktuelle und zukünftige Netzwerke anstoßen und weitere 50 Jahre Kulturvermittlung in der Region leisten.


  1. Schreiber, Hans, Positionspapier: Freie Kulturarbeit, 2007, Kulturplattform Oberösterreich
    https://kupf.at/positionen/positionspapier-freie-kulturarbeit-2007/ (Zugriff am 07.09.2021) ↩︎