33. Alpinale Nenzing 2018

16. August 2018
Bildteil

Der Auftakt zur heurigen Alpinale Nenzing (7.-11.8. 2018) war von einem netten Symbol gekennzeichnet: das Einhorn, das Wappentier der Alpinale war leibhaftig als Kuscheltier anwesend und wurde ausgiebig für Selfies und andere Erinnerungsfotos genutzt. Es war ein Überraschungsgeschenk für Manuela Mylonas, die zum 10. Mal das Festival leitet.

Bei einem als Open-Air konzipierten Festival ist das Wetter immer ein Lotteriespiel. Obwohl wir derzeit den heißesten Sommer seit langem haben, musste man doch zweimal in den Ramschwagsaal ausweichen, da es regnete und am Samstagabend konnte man die bereitgestellten Decken gut gebrauchen.

Ich habe zwar nicht alle Filme gesehen, war aber immerhin inklusive der Preisverleihung dreimal anwesend, erfreulich war, dass wieder ein neuer Besucherrekord verzeichnet werden konnte.

STILL (Regie: Hanna Mathis, A 2018, v-shorts, 4 Min., SW, Cinemascope.): In der Wiener U-Bahn setzt sich ein älterer Mann neben einen jungen Mann, der sehr laut Musik hört und auf einem Behindertensitzplatz sitzt. Sie kommen ins Gespräch und statt des erwarteten Konflikts löst sich die Situation in Wohlgefallen auf, war der junge Mann gehörlos?

RIEN NE VA PLUS (Sophie Linnenbaum, D 17, 15 Min, Hochschule): Ein verzweifelter Mann will sich durch Sprung von einem Hochhausdach das Leben beenden, als das Handy klingelt. Eine Frauenstimme verkündet ihm, er habe Jetons für das Casino gewonnen, welche er gar nicht will. Doch gleichzeitig wird jenes Casino überfallen und die Frau am Telefon bedroht. Nun will er ihr Leben retten.
Der Film bietet eine interessante Parallelmontage

A THOUSAND KISSES (Richard Goldgewicht, BR 18, 16 min, Animation)
1933 fühlt sich ein jüdisches Paar in Berlin wegen der Nazis nicht mehr wohl und will nach Rio de Janeiro auswandern. Erst wagt der Mann die Schiffspassage, als er in Brasilien Fuß gefasst hat, holt er seine Geliebte nach. Die beiden schreiben sich eifrig Briefe – 80 Jahre später werden diese von deren Enkeln gefunden.
Kunstvoll und stilsicher animierter Film mit vielen korrekten Details, etwa den alten Briefmarken und dem S-Muster an der Copacabana

ICARE (Nicolas Bucart, B 17, 25 Min, International): Das eindrucksvoll an einer Steilküste fotografierte Drama um einen vom Fliegen faszinierten Mann, der einen achtjährigen Jungen nach langem Training und Vorbereitungen mit Flügeln über die Klippen springen lässt war stellenweise langatmig und vor allem das Ende mehr oder minder vorhersehbar.

AUGENBLICKE (Kiana Nagshineh, D 2018, 4 Min, Animation): Eine Frau ängstigt sich beim nächtlichen Nach-hause-gehen.
Sehr experimenteller,wenig verständlicher Animationsfilm

WANNABE (Lenz/Jannis A/D, 30 Min, Hochschule): Die 17-jährige Coco schwänzt die Schule, um sich bei Castings und Musikvideodrehs zu beweisen – und setzt sich damit einer Demütigung nach der anderen aus. Weil sie als Model, Tänzerin und Schauspielerin nicht weiter kommt, konzentriert Coco sich immer stärker auf die Produktion ihres eigenen YouTube Kanals. Dort kann sie sich so darstellen, wie sie gerne wäre, aber nicht ist.
Der schon auf vielen Festivals ausgezeichnete Film spricht ein sehr junges Publikum an und nervt die älteren Semester.

Der Vorarlberger Felix Kalavainan – schon vorletztes Jahr in den v-shorts präsent -, zeigte METASTAATEN (A 2019/10 Min). Kalavainan hat inzwischen die Grundausbildung an der Filmakademie Wien abgeschlossen und machte einen Kurzfilm ohne die starren Regeln der Filmakademie. So wagte er sich an das Tabu-Thema heran, Tiere und Kinder zu filmen, stieß in Bürs auf dressierte Hühner und castete einen Jungen.
Paul weiß ganz genau, dass seine Mutter schwer krank ist und baut sich im Wald eine eigene Welt zusammen, in der Tiere eine große Rolle spielen. Als Papa heimkommt, ist er sehr traurig.
Der Zusammenhang zwischen der Fantasiewelt des Jungen mit Tieren und den Metastasen einer Krebserkrankung erscheint mir etwas konstruiert. Dennoch eine gute Idee!
Wohl wegen der herausragenden Darstellung des Jungen Lucas William-Mathis setzte sich dieser Film gegen die anderen drei Konkurrenten durch und gewann den Preis für den besten v-short.

FANNY (Haldan Ullman Tǿndel, N 2017, 29 Min, international, Cinemascope): Fanny, mitte Zwanzig, etwas schüchtern, studiert in ihrer Heimatstadt und gerät in einer Kennenlern-Runde in eine makabre Situation. Sowohl eine heterosexuelle, als auch eine lesbische Bekanntschaft laufen schief. Auf dem Hintergrundes eines sexuellen Missbrauchs durch den eigenen Vater werden die Folgen auf die sexuelle Identität geschildert.

BERNARD (Anna Oparkowska, PL 2017, 6 Min, Animation): Schwer verständliche Geschichte im Eis – Ein Eisbär, ein lebender Eisblock, ein Mensch? Was im Programmheft steht (Geschichte über Einsamkeit, Verhaltensstörungen und den verzweifelten Versuch nach Nähe in einer unwirtlichen Winterlandschaft) ist nur unklar auszumachen und wenig exakt gezeichnet.

FUCKING DRAMA (Michael Podogil, A 2017, 17 Min, Hochschule): Ein Pärchen wird zum Spontanbesuch eines Off-Theaterstücks überredet, in einem alten Kellergewölbe soll ein Drama gespielt werden. Eine Frau spielt Cello, eine andere entblößt ihre Brüste, als Manfred Amour, der Autor des Stücks, seine SchauspielerInnen und das Publikum beschimpft, kommt Dynamik auf. Mit einer Pistole droht er sich zu erschießen, als dann eine Frau den Saal verlassen will wird sie (scheinbar) erschossen und das Publikum zittert. Wie weit darf Kunst gehen um beim abgestumpften Publikum auf jeden Fall Emotionen zu provozieren?
Hochspannend wirft Podogil einen Blick auf die aktuelle Kunstszene und geht an die Grenzen der Zumutbarkeit.

59 SECONDS (Carraro Mauro, CH 2017, 16 Minuten, Animation): Im Mai 1976 erschütterte ein 59 Sekunden dauerndes schweres Erdbeben die Gegend um Friaul. Wir sehen den Alltag davor, unter anderem auch jenen des Soldaten Bruno, dessen Kaserne im Epizentrum liegt. Seine Geliebte Tiziana macht sich nach der Katastrophe Sorgen um ihn. Zeichnerisch eher unkonventionell-kubistisch gestaltet, mit düsterem Unterton, durchaus sehenswert.

MANEKI NEKO (Manolis Mavris,GR 2017,20 Minuten, International, Cinemascope): Die “Winkekatze” (dt. Übersetzung des Titels) ist ein japanischer Glücksbringer in Gestalt einer aufrecht sitzenden Katze, die den Betrachter mit ihrer rechten oder linken Pfote herbeiwinkt. Ein fremder Mann wird von einer fremden Frau in der Nacht in einem Buswartehäuschen angesprochen, sich doch die Kosten für das Taxi zu teilen und so fahren sie ins Zentrum von Athen. Sie tun so, als ob sie sich schon immer kannten – eine Psychose?
Der Taxifahrer erzählt ihnen schließlich von ihrer gemeinsamen Vergangenheit.
Ich konnte wenig damit anfangen! Die Alpinale-Endauswahlkommission mag aber Horror- und Trash-Filme und hat damit offenbar auch die Jury angesprochen, die ihn als besten Film der Kategorie "International" auszeichnete.

ALL THE TIRED HORSES (Sebastian Mayr, A 2017, 24 Minuten, Hochschule, Cinemascope): Der Film erinnert stark an "Der Gott des Gemetzels" - Zwei Paare um die 30, die sich nicht kennen, verbringen einen Abend miteinander und warten auf jenes Paar, das sie zusammengebracht und sich verspätet hat. Die gastgebende Frau hat allerdings kurz zuvor einen positiven Schwangerschaftstest gemacht und empfindet deshalb die Diskussion über Umzug der Kreativen nach Berlin, Polygamie, Dating Apps u.a. als sehr unpassend, sie geraten sich immer mehr in der Haare.
Perfekt ausgeleuchtete Räume und eine hervorragende Kamera machen das an sich wortlastige Kammerspiel zu einem kompakten Genuss.
In diesem Fall bin ich mit der Jury einig – es war der beste Kurzfilm von den Filmhochschulen.

ENTSCHULDIGUNG, ICH SUCHE DEN TISCHTENNISRAUM UND MEINE FREUNDIN (Bernhard Wenger, A/D 2018, 23 Minuten, Cinemascope
Die Freundin eines jungen Mannes aus Schweden verlässt diesen nach einem Streit in einem Wellness-Hotel inmitten der Alpen (Kals, Osttirol). Er sucht im Hotel verzweifelt nach ihr, findet neue Gesprächs- und Tischtennisfreunde und verpatzt sich eine Chance, eine neue Freundin zu finden. In Wahrheit ist er jedoch auf der Suche nach sich selbst.
Der Film gewann in Saarbrücken den Publikumspreis Kurzfilm und hier den Preis der Jury!
(Dr. Norbert Fink)