150 Jahre MAK: Vom Kunstgewerbe zum Design

Eine inspirierende Konfrontation der traditionsreichen MAK-Sammlung mit der zeitgenössischen Designavantgarde wagt die Ausstellung "Vorbilder. 150 Jahre MAK: Vom Kunstgewerbe zum Design", eines der zentralen Projekte anlässlich des 150-Jahr-Jubiläums des MAK. Die Ursprungsidee zur Entwicklung einer vorbildhaften Mustersammlung für innovatives Kunstgewerbe und die gegenseitige Befruchtung von Tradition und Gegenwart bestimmen die wechselvolle MAK-Geschichte.

Anknüpfend an diese einzigartige Ausrichtung lassen sich neun international renommierte DesigndenkerInnen in "Vorbilder" auf das Experiment ein, die Bedeutung der MAK-Sammlung als Inspirationsquelle und Verhandlungsort für eine auf die Zukunft ausgerichtete Gestaltung des Alltags zu erforschen. In einem raschen Perspektivenwechsel zwischen wesentlichen Momenten der MAK-Geschichte und zukünftigen, für das Museum richtungsweisenden Designthemen des 21. Jahrhunderts skizziert "Vorbilder" die Entwicklung des MAK von einer Förder- und Bildungseinrichtung für das österreichische Kunstgewerbe zu einem der international führenden Kompetenzzentren und Schauplätze für angewandte Kunst, Design, Architektur und Gegenwartskunst.

Die neun zeitgenössischen DesignexpertInnen loten in Dialogen, filmisch für die Aus-stellung dokumentiert, mit einer stimulierenden Person ihrer Wahl die Zukunft der angewandten Kunst sowie die Perspektiven ihr verschriebener Museen aus. Parallel dazu skizzieren sie anhand exemplarisch ausgewählter Design-Exponate mögliche zu-künftige Themenfelder und Erweiterungen der einzigartigen MAK-Sammlung mit Weltruf. So trifft etwa das DesignerInnenduo Dunne & Raby – Fiona Raby, u. a. Professorin für Industrial Design an der Universität für angewandte Kunst Wien, und Tony Dunne –, das die Fachrichtung Design Interaction am Londoner Royal Collage of Art und darüber hinaus etablierte und einen spekulativen Designansatz verfolgt, auf den britischen Production Designer Alex McDowell (u. a. Minority Report, 2002), mit dem es den Einfluss von Science- und Social-Fiction-Literatur auf die materielle Kultur des Alltags diskutiert.

Ähnlich debattiert Jan Boelen, Gründer und Direktor des Kunstzentrums Z33 – house for contemporary art im belgischen Hasselt und Leiter des Social Design De-partment an der Design Academy Eindhoven, mit dem Kunst-, Design- und Architekturkritiker sowie ehemaligen Domus-Editor Joseph Grima über neu gestaltete Systeme jenseits der industriellen Gesellschaft und ihre Produktionsweisen. Der Designer Konstantin Grcic spricht mit dem Autor und Wissenschaftsjournalisten Hubert Filser (u. a. Süddeutsche Zeitung), einem studierten Physiker, über das Aussterben des Möbeldesigns und verweist auf die vorbildhafte Haltung von Kollegen, wie Maarten van Severen, Philippe Starck und Jasper Morrison sowie für ihn beispiel-gebende Designunternehmen wie Muji, Magis und Mattiazzi.

Über die inspirierende Kraft von Ikonen in 2D und 3D, wie eines persischen Koran, japanischer Plakatgrafiken oder des Autoklassikers Jaguar E-Type, und deren Bedeu-tung in einer Sammlung von Vorbildern unterhalten sich der in New York lebende österreichische Grafikdesigner Stefan Sagmeister und die Fotokünstlerin Elfie Semotan, die vor und hinter der Kamera die Modewelt geprägt hat. Die Designforscherin und Leiterin des Design Research Lab der Berliner Universität der Künste, Gesche Joost, die auch dem Beraterstab des ehemaligen SPD-Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück angehörte, trifft auf den deutschen Soziologen und Zukunftsforscher Harald Welzer und erörtert beispielhaft die sich abzeichnenden Ver-änderungen in der Arbeitswelt: Unter dem Einfluss neuer Technologien wie des 3D-Printings und einer auf Autonomie ausgelegten Maker-Bewegung entstehen neue Rollenverständnisse.

Neue Technologien sind auch Thema bei Sabine Seymour, der Gründerin von Moondial. Als Fashion Technologist arbeitet sie an der Schnittstelle von akademischer, kultureller und wirtschaftlicher Forschung und Entwicklung, u. a. an der Parsons The New School for Design, New York, für das Eyebeam Art+Technology Center, New York und MAK FASHION Lab sowie mit Siemens, DuPont und Nike. Mit Niyazi Serdar Sarıçiftçi, dem Leiter des Institute for Organic Solar Cells an der Johannes Kepler Uni-versität in Linz, spricht sie am Beispiel von Entwürfen von Iris van Herpen, Hussein Chalyan, Studio XO oder Asher Levine über zukünftige Entwicklungen in der Mode und intelligente Textilien.

Mit ihrem Team von Participle nutzt Hilary Cottam Methoden wie Design Thinking für Lösungsansätze in der Kranken- und Altenpflege, Jobvermittlung oder Aufbau von Selbsthilfegruppen. Als Soziologin wurde sie 2005 zum UK Designer of the Year gekürt und entwickelt nun als Social Entrepreneur laufend beispielhafte Einrichtungen, die Zahlen und Fakten für die Verbesserung des britischen Wohlfahrtssystems liefern. In der Sigmund-Freud-Stadt Wien möchte sie sich mit einem Psychoanalytiker über die Arbeit mit Übergangsobjekten, bekannt aus der Kinderpsychologie, als Agenten für Veränderung auch in anderen Gesellschaftsbereichen austauschen.

Den Kunst- und Architekturkritiker Hans-Ulrich Obrist, Co-Direktor und Kurator an der Serpentine Gallery in London, interessieren unvollendete Projekte. Wie das Scheitern auf die Zukunft wirkt, diskutiert er mit der Designkommentatorin Alice Rawsthorn, Designkritikerin der International New York Times und Kolumnistin für Frieze, am Beispiel einer Reihe nicht realisierter Projekte von DesignerInnen wie Matthew Carter, Hella Jongerius, Emily Pilloton oder Casey Reas. In den konzeptionellen und experimentellen Ansätzen eines Maarten Baas oder Nacho Carbonell sieht die Trendforscherin und ehemalige Präsidentin der Design Academy Eindhoven Lidewij Edelkoort die verändernden Kräfte und neuen Strömungen im Design, die sie gemeinsam mit dem Kunstpädagogen und Rektor der Bernard Lieve-goed University Jeroen Lutters hinsichtlich einer "Schule des universellen Lernens" diskutiert.

Die gegenwärtigen Positionen mischen sich in "Vorbilder"mit ProtagonistInnen und Sammlungsobjekten, die über die Entwicklungsgeschichte des MAK erzählen. Zeit-übergreifende Querverbindungen schlagen die Brücke zur MAK-Geschichte, die in der Ausstellung kaleidoskopisch dargestellt wird. Künstler der Renaissance, die die MAK-Fassade des programmatischen Ringstraßenbaus (1868–1871) in Form von Reli-efs und Namensplaketten in einem umlaufenden Fries zieren, waren die Vorbilder, die den Start der internationalen Reputation des Museums markierten. Im Folgenden setzten Direktoren, MuseumsmitarbeiterInnen, KünstlerInnen, SammlerInnen, Entrepre-neure und Förderer die 150-jährige Geschichte des Hauses fort.

Diese Persönlichkeiten, von prominenteren, wie Rudolf von Eitelberger (Gründungsdirektor 1864–1885) oder Peter Noever (Direktor 1986–2011), bis hin zu unbekannteren, wie den SammlerInnen Bertha von Pappenheim (1859–1936) oder Julius Paul (1867–1938), inspirierten die KuratorInnen zur Auswahl herausragender Exponate aus der neben Büchern, Zeitschriften und Archivalien rund 600.000 Objekte umfassenden MAK-Sammlung, die eine materielle Zeitreise durch die Entwicklungsgeschichte vom Kunstgewerbe zum Design dokumentieren sowie Brüche und Wendepunkte aufzeigen.


Vorbilder
150 Jahre MAK: Vom Kunstgewerbe zum Design
11. Juni bis 5. Oktober 2014