"100 beste Plakate" im Campus Dornbirn

19. Oktober 2009
07.10.2009 bis  24.10.2009
Bildteil

Ein Trinkglas, das derart mit Trinkhalmen vollgepropft ist, dass kein weiteres mehr hineinpasst. Dazu der Schriftzug "Es reicht". Das Plakat mit diesem Sujet will darauf aufmerksam machen, dass weltweit 800 Millionen Menschen keinen Zugang zu Trinkwasser haben. Auf einem anderen Poster sind kopulierende Hunde abgebildet. Damit kündigten die Münchner Kammerspiele spektakulär das Stück "Ping Pong d’Amour" an.

Das sind nur zwei von 100 Plakatbeispielen, die vom 7. bis 24. Oktober im Campus Dornbirn beim Areal der Fachhochschule unter dem Titel "100 beste Plakate 08 – Deutschland, Österreich, Schweiz" gezeigt werden. Nach Berlin und Essen ist Dornbirn die dritte Station, in der diese Wanderausstellung halt macht. Danach übersiedelt sie nach Luzern und schlussendlich dann nach Wien ins Museum für Angewandte Kunst.

Die Ausstellung repräsentiert die Ergebnisse des gleichnamigen Wettbewerbs, der alljährlich vom in Berlin angesiedelten Verein "100 Beste Plakate e.V.", in dessen Vorstand auch der Vorarlberger Spitzengrafiker Reinhard Gassner Einsitz hat, ausgeschriebenen wird. Die 100 Gewinnerplakate, die von einer sechsköpfigen Jury unter 1.521 Plakaten ausgewählt wurden, die von 506 Einreichenden eingegeben wurden, darunter 142 studentische, zeigen die aktuellsten Trends des zeitgenössischen Plakat-Designs aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Mitglieder der aus Grafikdesignern und Kunsthistorikern bestehenden Jury, die die Siegerplakate ausgewählt hat, waren unter Vorsitz von Bastian Abry und Dimitri Broquard, Zürich, Cordula Alessandri (Wien), Georg Barber (Berlin), Anita Kühnel (Berlin) sowie Christian Lagé (Berlin).

Das breite stilistische, technische und inhaltliche Gestaltungsspektrum wurde in dem ungewöhnlichen Ausstellungskonzept eines interdisziplinären Studierendenprojektes der Fachhochschule Potsdam unter Leitung von Nauka Kirschner und Prof. Hermann Weizenegger erarbeitet und inszeniert. Ein Plakat gilt als effektives, als demonstratives und unmittelbares Kommunikationsmittel. Mit einer stilisierten Formensprache will die Ausstellungsgestaltung daher das Erscheinungsbild einer Demonstration aufgreifen. Die Plakate werden dem Betrachter auf den für Demonstrationen typischen "Lollipops" präsentiert, und in der Rauminstallation wird der lebendige Charakter auf dynamische Weise wiedergegeben. Für Dornbirn bedeutet dies, dass eine Plakatparade vom Marktplatz zum Campus den Auftakt der Ausstellung markiert. Die Parade, für die das Designforum Vorarlberg als Organisator der Ausstellung noch Plakatträger sucht, beginnt am 7. Oktober 09 um 18.00 Uhr.

Beim Betrachten vieler ausgezeichneter Plakate fällt auf, dass sie sich im Grenzbereich zu Kunst bewegen. Sie sind kunstvoll gestaltet, aber von der Typografie her nur sehr schwer zu lesen. Bei manchen muss man drei Mal hinschauen, bis sich einem der Inhalt entschlüsselt. Das liegt wohl daran, dass ein wesentlicher Teil der eingereichten Plakate für Werkschauen oder Veranstaltungen von Design-Unis oder Kulturprojekten entwickelt wurden. Und das wundert auch nicht, denn der Wettbewerb steht nicht nur professionellen GrafikerInnen offen, sondern auch künstlerischen Hoch- und Fachschulen, Agenturen, Büros und auch Auftraggebern und Druckereien. Im Prinzip also jedermann und jederfrau. Zudem heisst es in der Aussendung des Vereins, dass "radikale Zumutungen" durchaus erwünscht seien, denn "die aus dem Wettbewerb entstandene Ausstellung will nicht nur den Status quo dokumentieren, sondern möchte über neue Sichtweisen auch neue Anstösse vermitteln."

Ob ein Plakat seinen Zweck erfüllt, wenn es kaum zu dechiffrieren ist, sei dahingestellt. Dessen ungeachtet führt die Ausstellung eindrücklich vor Augen, dass das gute, alte Plakat trotz der elektronischen Omnipräsenz noch immer nicht aus dem Alltag wegzukriegen ist. Als das älteste Informationsmedium im öffentlichen Raum scheint es bis heute nichts von seiner Wirksamkeit und Faszination eingebüsst zu haben. Es ist noch immer dazu gut, politische Meinungen, gesellschaftliche Stimmungen und kulturelle Strömungen zu transportieren und die Aufmerksamkeit auf bevorstehende Ereignisse oder kommerzielle Angebote zu lenken. Zumindest in Deutschland und der Schweiz. Denn das Gros der Einreichungen stammt aus diesen Ländern. Zum Vergleich: Während 386 Einreichungen von deutscher und 87 von schweizer Seite aus erfolgten, gab es nur 33 Beteiligungen aus Österreich. Und noch krasser sieht es bei den Prämierungen aus. Während 56 ausgewählte Plakate aus Deutschland und 37 aus der Schweiz stammen, sind es gerade mal deren fünf aus Österreich. Auffallend neben den geringen Auszeichnungen für die Alpenrepublik vor allem die hohe Anzahl der Prämierungen für die Schweiz.

Das erhebt die Frage, ob denn die österreichischen Grafiker weniger auf dem Kasten haben als die Konkurrenz aus den anderen deutschsprachigen Ländern. Das verneint der Dornbirner Gestalter Sigi Ramoser, der im Vorstand des Berufsverbandes Design Austria vertreten ist und massgeblich dafür mitverantwortlich ist, dass die "100 besten Plakate" den Weg nach Dornbirn gefunden haben, vehement. Er verweist darauf, dass in der Schweiz das Plakat im Weltformat vor allem im Bereich von Theaterveranstaltungen und Kulturausstellungen eine lange Tradition habe und die Qualität der dort geschaffenen Elaborate geradezu einen Weltruf genössen. Ähnliches gelte in Deutschland, wo in Städten wie Berlin, Frankfurt oder München eine hohe Plakatkultur herrsche. In Österreich reduziere sich diese Plakatkultur in erster Linie auf Wien, wo sich vor allem das Museumsquartier oder die immer wieder stattfindenden internationalen Tanzevents im diesem Bereich engagierten. In Vorarlberg hingegen sei in den letzten Jahren ein grosser Rückgang in der Bedeutung des Plakats festzustellen. Hier gäbe es lediglich vielleicht noch das Theater Kosmos oder die politischen Wahlen, die etwas Bewegung in die Szene brächten. Ansonsten mangle es völlig an einem Wettbewerb, der die Gestalter herausfordern würde. Daher findet er es umso wichtiger, dass diese Ausstellung nun auch hier zugänglich gemacht wird. Sie könnte nicht nur die GrafikerInnen, sondern auch potenzielle Auftraggeber so wie auch das breite Publikum verstärkt wieder in Bezug auf dieses Genre in Bann ziehen.