Édouard Vuillard im Kunstmuseum Winterthur

Vor zehn Jahren zeigte das Kunstmuseum Winterthur eine Ausstellung von Pierre Bonnard. Nun widmet es seine Herbstausstellung Edouard Vuillard, dem zweiten grossen französischen Maler am Ende des 19. Jahrhunderts. Das Kunstmuseum Winterthur verfügt über die umfangreichste Vuillard-Werkgruppe unter den öffentlichen Schweizer Sammlungen.

Die Ausstellung konzentriert sich deshalb auf die Motive in der Sammlung, nämlich die Interieurs mit Figuren aus den 1890er Jahren, die Familienszenen aus dieser Zeit, die Landschaften von 1900, die kurz darauf entstandenen Akte, die Interieurs mit der am Tisch sitzenden Mutter und die Landschaften aus der Bretagne von 1908, an denen der Übergang zu einem neuen Malstil sichtbar wird. Die Auswahl vermittelt einen vertieften Einblick in die Themenkreise des Malers und ermöglicht zugleich, die Winterthurer Bilder in ihrem Kontext zu betrachten.

Der 1868 geborene Édouard Vuillard lernte Ende der 1880er Jahre an der Pariser Academie Julian gleichaltrige Maler kennen, mit denen er sich zur Gruppe der Nabis zusammenschloss. Im Unterschied zu den Impressionisten strebten die Nabis nach einer Malerei jenseits des Naturalismus, und sie schufen im Bann von symbolistischer Dichtung und Theater dekorative, von der Farbe bestimmte Kompositionen, die meist Motive aus dem persönlichen Umkreis zum Thema hatten.

Die Malerei des jungen Vuillard wie diejenige seiner Freunde Bonnard, Roussel und Vallotton stand unter dem Zeichen der neuen Bildauffassung Gauguins und van Goghs und des Japonisme, also der kühnen Gestaltungsideen, die das japanische Kunsthandwerk nach Europa gebracht hatte. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts gingen die Nabis-Künstler eigene Wege, wie besonders auch Vuillards sich wandelndes Werk zeigt. In seinen letzten Jahrzehnten war er einer der erfolgreichsten französischen Maler, dessen Bildnisse von Pariser Persönlichkeiten äusserst beliebt waren. 1940 starb Vuillard kurz nach der Besetzung Frankreichs.

Im Verlauf der letzten Jahrzehnte wurde in der Sammlung des Kunstmuseums Winterthur eine ansehnliche Werkgruppe von Vuillard aufgebaut, die acht zumeist aus seinen frühen Jahren stammende Gemälde umfasst. Das letzte Werk wurde 2010 aus einer ehemaligen Winterthurer Privatsammlung erworben. Vuillards Schaffen nimmt in der Museumssammlung eine wichtige Position ein, ist diese doch geprägt von der Präsenz der französischen Kunst vom Impressionismus bis in das 20. Jahrhundert und insbesondere von der Entwicklung der Farbmalerei, die von Delacroix über Redon zu Bonnard und Vuillard verläuft.

Die Ausstellung von Edouard Vuillard im Kunstmuseum Winterthur geht von den Motiven in der Sammlung des Kunstmuseums Winterthur aus. Sie beginnt mit den Interieurs aus den 1890er Jahren, in denen die Mutter und die Schwester des Künstlers auftreten, eingebettet in die reich ausstaffierte Wohnung. Vuillard erweist sich darin als ein Meister der dramatischen Inszenierung, die er durch die sorgfältig plazierten Möbel, die raffinierte Führung des Lichts und Durchblicke von Raum zu Raum gestaltet. Es folgt eine Reihe von Familienszenen, angeregt durch die Geburt von Vuillards Nichte Annette. Sie zeigen Vuillard als den subtilen Beobachter des intimen Lebens.

Mit den 1900 gemalten Landschaften beginnt ein neues Kapitel für den Maler, der zuvor kaum die bewohnte Welt der Innenräume überschritten hatte. Erste Ansichten enstanden in der Umgebung von Paris, danach arbeitete Vuillard am Genfersee weiter, wo er in Felix Vallotton einen Kollegen fand, der dieselben Motive verfolgte. Ein weiteres neues Thema fand Vuillard mit den Akten, die er nach 1900 in seinem Wohnatelier malte. Auch sie regten ihn zu malerischen Neuerungen an, so in der Annäherung an den neuen Klassizismus, den der Malerfreund Maurice Denis um diese Zeit propagierte.

Während der Ferienaufenthalte in der Bretagne von 1908 und 1909 lernte Vuillard auf zahlreichen Autofahrten die Landschaft kennen, die er in Skizzen festhielt. In den Hafenszenen, die er im Atelier in ungewohnt lockerer Malweise schuf, kehren die Erinnerungen an die Stadtansichten der japanischen Holzschnittkünstler wieder. Am Ende der Ausstellung steht eine eindrückliche Reihe von Bildern, welche die Mutter des Künstlers am reich gedeckten häuslichen Tisch zeigen und die Wahrheit seines Satzes anschaulich werden lassen - "ma maman, c"est ma muse!"

Zu sehen sind über fünfzig Gemälde von Vuillard aus in- und ausländischen Museen und Privatsammlungen, Das Musee d"Orsay in Paris hat für die Ausstellung eine Anzahl wichtiger Werke zugesagt; weitere Leihgaben stammen aus dem Fitzwilliam Museum in Cambridge, der Scottish National Gallery in Edinburgh, der Tate in London, dem Museum of Modern Art in New York, der Neuen Pinakothek in München und der Staatsgalerie Stuttgart.

Von den Schweizer Museen beteiligen sich das Kunstmuseum Bern, die Fondation de I"Hermitage, das Musee cantonal des Beaux-Arts in Lausanne und das Kunsthaus Zürich mit Leihgaben, Vuillards Werke werden ergänzt durch verwandte Gemälde seiner Künstlerfreunde Pierre Bonnard und Felix Vallotton, welche die thematischen Zusammenhänge veranschaulichen,


Édouard Vuillard (1868-1940)
24. August bis 23. November 2014