Gianfranco Baruchello im Karlsruher ZKM

Das ZKM | Museum für Neue Kunst präsentiert in einer lockeren Reihenfolge immer wieder Künstler, die vom Mainstream und vom Kunstmarkt ignoriert wurden oder in Vergessenheit geraten sind. Oftmals sind es Künstler, die der Kunst der Gegenwart jedoch wichtige Impulse geliefert haben. Vom 1. November 2014 bis 29. März 2015 wird in diesem Zusammenhang erstmalig der italienische Multimediakünstler Gianfranco Baruchello mit einer Werkschau vorgestellt.

Die in Kooperation mit den Deichtorhallen Hamburg / Sammlung Falckenberg durchgeführte Ausstellung bietet nicht nur einen Überblick über das mehr als ein halbes Jahrhundert währende Schaffen, sondern auch über die große Vielgestaltigkeit von Baruchellos Werk, der über die Jahrzehnte hinweg ein großes Oeuvre an Bildern, Skulpturen, Objektkästen, Collagen, Texten sowie Filmen geschaffen hat.

Gianfranco Baruchello (geb. 1924 in Livorno), war Teil der europäischen Avantgarde-Bewegung der 1960er-Jahre. Getrieben durch seine naturwissenschaftliche Prägung sucht er nach Verbindungsmomenten von Kunst und Mensch, Leben und Materie. Diese Fusion findet bei ihm statt in einer breiten Anzahl an Medien bis hin zur Gründung einer Landkommune in Anlehnung an Joseph Beuys’ Idee der "sozialen Plastik". Ähnlich wie Marcel Duchamp, mit dem ihn eine enge Freundschaft verband, fand Baruchello schon früh Gefallen an der Benutzung von vorhandenen Formen und Farben, den objets trouvé. Dabei geht er über Duchamp hinaus und verbindet nicht nur, sondern kreiert aus den Fundstücken abstrakte Werke, in denen die autonomen Bestandteile verschmelzen und neue außergewöhnliche Formen entstehen.

Die Strategien des Abstrakten Expressionismus und der Pop Art, die ihn auf einer Amerikareise (1964) faszinierten, verbindet er mit seinen eigenen Kompositionen und schafft somit eine sehr individuelle Bildsprache: Auf weiß grundierten Leinwänden positioniert er eine ganze Welt unterschiedlichster Figuren und Symbolen, auch "Characters" genannt, die sich zu einem Netzwerk verbinden und wie ein neuronales System anmuten.

Neben der Arbeit mit der Sprache in Form von Wortspielen und Reim-Experimenten, sowie die der Gestaltung individueller und besonderer Publikationen (z.B. Mi viene in mente, 1966) fand Baruchello den Weg zum Medium Film. 1963 entstand sein erster Super 8-Film "Il grado zero del paessagio". 1964 produzierte er den 16mm-Film "Verifica incerta", bei welchem er "gefundene" Szenen zusammenschnitten hat. Im Laufe der Zeit wurde aber auch die Arbeit mit der Videokamera immer wichtiger. Ab 1970 rückte vor allem die Bearbeitung des Mediums und des Medieninhaltes in den Vordergrund, wie beispielsweise bei dem Werk "Foto piccolissime", das willkürliche und massiv verkleinerte Fotografien des deutschen Fernsehprogramms darstellt.

Die Gründung seines eigenen Künstlerverbundes, der Agricola Cornelia S.p.A., im Jahr 1973 war nur ein konsequenter Schritt seines stetig vorhandenen ökologischen Bewusstseins und nachdem Baruchello an verschiedenen internationalen Künstlervereinigungen partizipiert hatte (E.A.T., Artiflex). Um Kunst und Leben endgültig zu verbinden und Land zu kultivieren schuf er eine synergetische Verzahnung von Kunst, Landwirtschaft und Tierhaltung, indem er die Künstler-Farm gründete und somit einige Schritte weiter ging, als viele andere Künstler der Zeit, die ähnliche Intentionen hatten, aber im Theoretischen verblieben.


Gianfranco Baruchello. Certain Ideas
1. November 2014 bis 6. April 2015