Animierte Wunderwelten

Aus Pixeln gebaute Fabelwesen bewohnen fantastische Welten, Flugsimulatoren lassen uns schweben wie Vögel, Medienfassaden überformen ganze Bauwerke. Animierte Bilder wie diese durchdringen die visuelle Kultur und bestimmen unseren Alltag so selbstverständlich mit, dass wir sie kaum bewusst wahrnehmen. In hyperrealistischen Bildern verschwimmen die Grenzen von Wirklichkeit und Fiktion.

Animierte Bilder durchdringen die visuelle Kultur und bestimmen unseren Alltag so selbstverständlich mit, dass wir sie kaum bewusst wahrnehmen – ob im Privaten, in der Öffentlichkeit oder bei der Arbeit. Dieser Vielfalt heutiger Animation nimmt sich mit "Animierte Wunderwelten" erstmals eine grosse Ausstellung an. Im Zentrum steht dabei der Mensch und seine emotionale Erfahrung. Das Thema ist aktueller denn je, übernehmen doch 3D-Filme, Computerspiele, interaktive tragbare Objekte oder neuerdings Datenbrillen einen immer grösseren Anteil in unserem Leben.

Was ist Wirklichkeit, was Fiktion? Die Animation verwischt diese Grenze, sie verändert uns Menschen, die Räume, durch die wir uns bewegen, und gar die Natur. Idealisierte Avatare, überraschende Formen und unmögliche Perspektiven ermöglichen bisher unerreichte physische, räumliche und mentale Erlebnisse. In Filmen und Games sind digitale Kopien des menschlichen Körpers mit seinen Bewegungen, insbesondere des Gesichts mit seiner Mimik, mittlerweile so lebensecht, dass sie Irritationen auslösen können. Animierte Bilder machen aber auch Vorstellungen zukünftiger Wirklichkeiten bereits erlebbar oder bieten Zugang zu realen Orten oder Situationen, die dem Betrachter normalerweise verschlossen bleiben – etwa im animierten Online-Dokumentarfilm "Guantánamo Bay: The Hunger Strikes" über das gleichnamige Gefangenenlager auf Kuba. Bühnenräume oder ganze Bauwerke im Stadtraum wiederum werden durch animierte Bilder lebendig.

Wie erstaunlich eine Animation auch erscheinen mag, sie basiert immer auf einfachen Grundelementen. Gegenläufig zum Streben nach immer höher aufgelösten Darstellungen behaupten sich Punkt und Pixel als sichtbar belassene Bausteine von Bildern. Ob analog oder digital, sie animieren auf oft minimalistische Weise komplexe Vorgänge oder Sachverhalte in ganz unterschiedlichen Massstabsbereichen: vom Molekül-Punkt unter dem nobelpreisgekrönten Rastertunnelmikroskop von IBM in "A Boy and His Atom" über das Spielzeug-Pixel-Bild des Tamagotchi bis zur vielpunktigen Medienfassade der Erweiterung des Kunstmuseums Basel.

Animationen können Ungegenständliches oder dem Mikrokosmos Entstammendes visuell verständlich machen. Was für das Auge nicht wahrnehmbar ist, erhält eine eigene Form und Ästhetik. Überzeugende Gestaltungen zeigen etwa das Internetprojekt "Wind Map" mit seinen laufend aktualisierten Wetterdaten oder die wissenschaftliche Animation "Protein Packing", welche spannende Einblicke ins Innenleben von Körperzellen erlaubt und aktuelle Erkenntnisse aus den Naturwissenschaften visualisiert.

In digitalen Interaktionen, bei denen man Augen, Finger und Hände einsetzt, manchmal auch den ganzen Körper, ist Animation fast immer präsent. Man aktiviert und steuert animierte Sequenzen – und sei es nur das Hervor- oder Wegwischen von Inhalten des Smartphones. Games oder immersive Installationen bieten dabei oft verblüffende räumliche oder körperliche Erlebnisse. Wer sich dem international für Furore sorgenden "Birdly" anvertraut, einem an der Zürcher Hochschule der Künste entwickelten Vogelflugsimulator, erlebt für zwei Minuten die traumartige Illusion, wie ein Rotmilan zu segeln. Die Animations- und Klanginstallation "Fischli" – für diese Ausstellung in Auftrag gegeben – lässt die Besucherinnen und Besucher spielerisch in eine poetische Unterwasserwelt eintauchen. Ernsthaftes Spielen, auch Gamifizierung genannt, baut hingegen auf Erfahrungen von "digital natives" mit Animation in Computerspielen auf. So beleuchtet denn die Videoinstallation "Ernste Spiele" digitale Trainingsformen der US-Armee.


Animierte Wunderwelten
4. September 2015 bis 10. Januar 2016