Ich höre es ja!

5. Oktober 2011 Rosemarie Schmitt
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"Ein Apfel ist ein Apfel, und eine Birne ist eine Birne!", protestiert Loriot in seinem Film "Papa ante Portas", als seine Gattin ihm einen Apfel mit Schokoladensoße als Birne Helene serviert. "Ich esse es ja, - aber nicht unter falschem Namen!", behält er das letzte Wort.

Das letzte Wort bezüglich "Germanico" ist noch nicht gesprochen. Es streiten sich noch immer die Götter (die der Musik), wer denn nun tatsächlich der Komponist dieses Werkes ist. Nach derzeitigen Erkenntnissen wird es Georg Friedrich Händel zugeschrieben. Einiges, doch für Einige nicht Genügendes, spricht dafür, daß der junge Händel "Germanico" komponierte. Es wäre somit das erste Werk, welches der Komponist und spätere "caro sassone" (geliebter Sachse) in Italien schrieb.

Vor vier Jahren entdeckte der italienische Musikwissenschaftler Ottaviano Tenerani in der Bibliothek des Konservatoriums "Luigi Cherubini" in Florenz den Apfel, entschuldigen Sie, ich meine natürlich das Manuskript, eine vollständige Handschrift des von dem damals 21-jährigen Händel zu stammen scheinenden "Germanico". Eine Oper ist eine Oper, und eine Serenata ist eine Serenata! Letzteres ist "Germanico". Eine Huldigung irgend jemandes, die in diesem Fall die Fürstenfamilie des Hauses Habsburg von ihren Untertanen eingefordert haben könnte. Nun gut, einigen wir uns auf "ein kurzes Huldigungsoperchen".

Vieles spricht also für "Del Sigr Hendel" (so auf der Handschift von dem damaligen Kopisten notiert) als Komponist. Immerhin so vieles, daß die Deutsche Harmonia Mundi (Sony-Music) eine Gesamtaufnahme veröffentlichte: "Händel: Germanico." Hören und genießen Sie 87 Minuten und 46 Sekunden wunderbare barocke Arien, Rezitative und Chöre des Ensembles Il Rossignolo! Vielleicht geht es Ihnen anschließend wie mir: es ist mir vollkommen gleichgültig, wer "Germanico" komponierte, es steigert weder meine Freude, noch trübt es meine Stimmung, welcher Name hinter, über oder auf diesem Werk steht.

Musik ist keine Frage des Namens, sondern des Empfindens. Und diese Musik empfinde ich als äußerst wohltuend. Es geht um die Musik, und in diesem Falle kann man getrost die Handlung (der Einzug Germanicos in Rom, nachdem er Arminus besiegte,- dies geschah etwa im Jahre 17 nach Christus) vernachlässigen, man muß nicht zwingend wissen, worum es geht, um zu genießen. Im Gegenteil, manchmal ist eine gewisse Vernachlässigung eine erfreuliche Sache.

Typisch für die Privat-Aufführungen dieser Huldigungs-Werke waren zu jener Zeit stets: eine kurze Spieldauer, wenige Instrumente und Laiensänger. Bis auf Letzteres – und dies sei ausdrücklich betont! - trifft dies auf Teneranis Einspielung zu! Er leitet seine herausragenden und leidenschaftlichen 14 Instrumentalisten vom Cembalo aus. Sara Mingardo (als Germanico) ist mit ihrer klaren Kontra-Alt-Stimme eine einzige Wohltat, ebenso wie ihre Sangesbrüder- und Schwestern (natürlich nicht allesamt Kontra-Alt-Stimmen). Und ist dies nicht der Zweck des Musikhörens, Wohltat? So tun Sie wohl daran, sich diese Aufnahme anzuhören, egal unter welchem Namen.

Ein Apfel ist ein Apfel, und Musik ist Musik! E Basta!

Herzlichst,
Ihre Rosemarie Schmitt